Sind Beschäftigte wegen ihres Kirchenaustritts von ihrem katholischen Arbeitgeber fristlos entlassen worden, darf die Agentur für Arbeit dies nicht zusätzlich noch mit einer Sperrzeit auf das Arbeitslosengeld bestrafen. Denn der Arbeitnehmer hat mit seiner „Abkehr vom katholischen Glauben“ einen „wichtigen Grund“ für sein Handeln gehabt, entschied das Sozialgericht München in einem am Donnerstag, 22.09. 2011, veröffentlichten Urteil (AZ: S 35 AL 203/08).

Geklagt hatte eine ehemalige, beim Caritasverband der Erzdiözese München und Freising angestellte Altenpflegerin. Seit 1974 war die Frau dort beschäftigt. Am 15.11.2007 trat sie jedoch aus der katholischen Kirche aus. Sie „hadere seit geraumer Zeit mit dem kirchlichen Glauben“, so die Altenpflegerin. Auch ein persönliches Gespräch mit ihrem katholischen Arbeitgeber konnte die Frau nicht mehr umstimmen.

Die Caritas kündigte der Altenpflegerin daraufhin fristlos. Mit dem Austritt aus der katholischen Kirche habe sie gegen die kirchliche Grundordnung und ihre Loyalitätspflichten verstoßen. Dabei habe sie sich zu deren Einhaltung verpflichtet. Der Kirchenaustritt sei ein „kirchenfeindliches Verhalten“. Es gefährde die Glaubwürdigkeit der Kirche und die Einrichtung, in der sie tätig war.

Als sich die Altenpflegerin bei der Arbeitsagentur am 28.11.2007 arbeitslos meldete, verhängte die Behörde erst einmal eine dreimonatige Sperrzeit auf das Arbeitslosengeld. Die Frau habe mit ihrem Kirchenaustritt die Kündigung provoziert. Sie habe selbst zugegeben, dass sie mit der Kündigung gerechnet und sie als Schwerbehinderte und wegen ihres Alters kaum noch eine Chance auf eine neue Stelle habe.

Das Sozialgericht hielt die Verhängung der Sperrzeit jedoch für rechts- und verfassungswidrig. Eine Sperrzeit sei nur bei versicherungswidrigem Verhalten möglich, ohne dass der Arbeitslose dafür einen „wichtigen Grund“ hatte. Die Arbeitslosigkeit müsse „grob fahrlässig“ und vorsätzlich herbeigeführt worden sein.

Die Abkehr vom katholischen Glauben oder an wen und was man glaubt, sei jedoch kein steuerbares Verhalten, so die Münchener Richter. Außerdem könne sich die Altenpflegerin auf ihre verfassungsrechtlich geschützte „negative Religionsfreiheit“ berufen. Danach hat jeder das Recht, auch an keinen Gott oder an einer bestimmten Religion zu glauben. Die verhängte Sperrzeit ist daher wieder aufzuheben, so das Sozialgericht in seinem am 26..05.2011 gefällten Urteil.

Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hatte sich bereits am 29.05.2008 mit einem vergleichbaren Fall befasst (AZ: B 11a AL 63/06 R). Dabei hatte die Agentur für Arbeit eine dreimonatige Sperrzeit gegen eine “Bettenvorbereiterin” in einem Caritas-Krankenhaus verhängt. Auch diese Frau war von ihrem katholischen Arbeitgeber wegen ihres Kirchenaustritts gekündigt worden. Nachdem das BSG im mündlichen Verfahren auf die Gewissensfreiheit der Frau hingewiesen hat, hatte die Behörde ihre Rechtsmittel zurückgezogen. Die verhängte Sperrzeit wurde damit wieder aufgehoben.