Erleiden Berufsmusiker nach jahrzehntelangem Violinspielen Bandscheibenvorfälle in der Halswirbelsäule, gilt dies nicht als Berufskrankheit. Die Unfallversicherungsträger müssen daher keine Entschädigungszahlungen leisten, entschied das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg in einem am Donnerstag, 05.01.2012, veröffentlichten Urteil (AZ: L 2 U 30/11). Inwieweit Violinspieler wegen ihres Berufes ein erhöhtes Risiko für Halswirbel-Erkrankungen haben, sei nicht ausreichend wissenschaftlich belegt, begründeten die Potsdamer Richter ihre Entscheidung.

Im konkreten Fall leidet der Kläger, ein heute 81-jähriger Berufsmusiker an mehreren Bandscheibenvorfällen in der Halswirbelsäule, verbunden mit bis in den Arm ausstrahlenden Schmerzen und Schultergelenkproblemen. Sein jahrzehntelanges Violinspielen sei die Ursache für seine gesundheitlichen Probleme, so der Musiker. Die Erkrankung müsse daher „wie“ eine Berufskrankheit anerkannt werden.

Berufskrankheiten sind normalerweise in der Berufskrankheiten-Verordnung festgelegt. Bei nicht dort aufgeführten Erkrankungen können diese unter Umständen dennoch von der Berufsgenossenschaft „wie“ eine Berufskrankheit anerkannt werden. Dazu müssen neue Erkenntnisse vorliegen, dass die Erkrankung in erheblich höherem Grade in der entsprechenden Berufsgruppe auftritt, als in der übrigen Bevölkerung.

Genau darauf berief sich auch der Musiker. Medizinische Gutachten zufolge sei ein Zusammenhang zwischen Erkrankung und der beruflichen Tätigkeit wahrscheinlich und plausibel. Der Kläger habe in seinem Berufsleben bis zu 90.000 Stunden Geige gespielt. Typisch sei dabei, dass die Violine in einer Zwangshaltung gespielt wird, die die Halswirbelsäule besonders belastet. Da es in Deutschland jedoch nur rund 4.100 Musiker in Kultur- und Kammerorchestern gebe, die Streichinstrumente spielen, könne wegen der kleinen Fallzahl nicht ganz genau belegt werden, ob die Wirbelsäulenerkrankung berufstypisch ist, heißt es in den Gutachten.

Das reicht für eine Anerkennung als „Wie“-Berufskrankheit aber nicht aus, so das LSG in seinem Urteil vom 3. November 2011. Zwar sei die Gruppe der Violinspieler wegen ihrer Zwangshaltung unstreitig besonderen Einwirkungen ausgesetzt. Ob die typische, beim Violine spielen eingenommene Zwangshaltung generell geeignet ist, die vorgebrachten Halswirbel- und Schultergelenkbeschwerden hervorzurufen, sei jedoch weiterhin unklar.

Denn gerade an Bandscheibenvorfällen leide eine Vielzahl von Menschen mit unterschiedlichen beruflichen Tätigkeiten. Ob die Gruppe der Violinspieler einem im Verhältnis zur übrigen Bevölkerung höherem Krankheitsrisiko ausgesetzt ist, habe der Kläger nicht belegen können.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls hat das LSG die Revision zum Bundessozialgericht in Kassel zugelassen.

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