Rollstuhlfahrer können im Einzelfall Anspruch auf ein „Handbike“ mit zuschaltbarem Elektroantrieb haben. Die gesetzliche Krankenkasse kann zur Gewährung solch eines Hilfsmittels verpflichtet sein, wenn der Behinderte sich mit einem normalen Rollstuhl nur mit Schmerzen fortbewegen kann, die regelmäßig Bewegung aber gesundheitlich notwendig ist, urteilte das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) in einem am Freitag, 17.02.2012, veröffentlichten Urteil (AZ: L 5 KR 31/10).

Damit gaben die Schleswiger Richter einer Rollstuhlfahrerin aus dem Raum Lübeck recht. Die Klägerin verfügt bereits über zwei reguläre Rollstühle. Wegen des jahrelangen Gebrauchs der Rollstühle leidet die Behinderte mittlerweile unter chronischen Schulterschmerzen. Sie beantragte bei ihrer Krankenkasse daher die Kostenübernahme für ein sogenanntes Handbike mit zuschaltbarem Elektroantrieb.

Dabei wird ein weiteres Rad samt Handkurbelantrieb an den Rollstuhl befestigt. Ein zuschaltbarer Elektro-Motor kann die Fortbewegung ebenfalls sicherstellen.

Die Krankenkasse lehnte die Kostenübernahme ab. Das begehrte Handbike stelle kein Hilfsmittel dar, da es nicht im Hilfsmittelverzeichnis enthalten sei. Die Mobilität der behinderten Frau werde durch die vorhandenen Rollstühle gesichert. Außerdem habe sie bereits ein Handbike, allerdings ohne Hilfsmotor. Werde der vorhandene Rollstuhl mit dem Handbike samt Motor ausgerüstet, habe das Gefährt „fahrradähnliche Eigenschaften“, was keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen begründe.

Das LSG stellte in seinem Urteil vom 15.12.2011 klar, dass die Aufnahme eines Hilfsmittels im Hilfsmittelverzeichnis für eine mögliche Kostenübernahme der Krankenkasse nicht erforderlich ist. Entscheidend sei, dass die Auswirkungen der Behinderung mit dem begehrten Hilfsmittel beseitigt oder gemildert werden und dass damit ein allgemeines Grundbedürfnis des Behinderten befriedigt wird.

Im konkreten Fall könne das Handbike mit zuschaltbarem Motorantrieb bei der Klägerin das Grundbedürfnis auf Mobilität decken. Da die Behinderte an wiederkehrenden Schulterentzündungen leide und sie auf Bewegung als Gesundheitsvorbeugung angewiesen sei, komme für sie das gewünschte Handbike als Hilfsmittel infrage. So könne sie je nach Bedarf von einem manuellen auf einen Elektroantrieb umschalten.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung des Falles hat das LSG die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zugelassen.

In einem am 18.05.2011 verkündeten Urteil hatte das BSG bereits zur Kostenübernahme sogenannter handkurbelbetriebener Rollstuhl-Bikes entschieden (AZ: B 3 KR 7/10 R und B 3 KR 12/10 R). Diese können danach als Hilfsmittel anerkannt werden, wenn sie Schmerzen verhindern oder eine therapeutische Behandlung unterstützen.

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