Stimmen eigentlich „unkündbare“ Arbeitnehmer wegen Wegfalls ihres Arbeitsplatzes der Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses zu, darf die Arbeitsagentur deshalb nicht pauschal von einem unzulässigen versicherungswidrigen Verhalten ausgehen und eine Sperrzeit auf das Arbeitslosengeld verhängen. Der Wegfall des Arbeitsplatzes kann ein „wichtiger Grund“ sein, der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung zuzustimmen, urteilte am Mittwoch, 02.05.2012, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (AZ: B 11 AL 6/11 R).

Mit seinem Grundsatzurteil entwickelte das BSG seine Rechtsprechung nach neuem Recht fort. Eine Kündigungsschutzklage muss danach nur dann erhoben werden, wenn die drohende Kündigung „offensichtlich rechtswidrig“ wäre.

Geklagt hatte eine 1947 geborene, schwerbehinderte Frau aus dem Raum Karlsruhe, die seit 39 Jahren als Sekretärin bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt war. Als dieser eine ganze Abteilung des Unternehmens schließen wollte, bot er der wegen ihrer Schwerbehinderung und der langen Betriebszugehörigkeit ordentlich „unkündbaren“ Frau einen Aufhebungsvertrag sowie eine Abfindung in Höhe von 47.000,00 € an. Andernfalls müsse er ihr betriebsbedingt kündigen.

Die Frau nahm das Geld und meldete sich dann arbeitslos. Doch die Arbeitsagentur verhängte eine zwölfwöchige Sperrzeit auf das Arbeitslosengeld. Die Sekretärin habe mit dem Aufhebungsvertrag mutwillig ihr Arbeitsverhältnis gelöst und sich damit versicherungswidrig verhalten. Sie hätte vielmehr auf die Kündigung warten müssen. Denn es gebe den Verdacht, dass der Arbeitgeber sich mit der Abfindungszahlung um den Kündigungsschutz für Schwerbehinderte drücken wollte.

Das BSG stellte nun klar, dass die Arbeitsagentur nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages und einer Abfindungszahlung nicht einfach pauschal eine Sperrzeit verhängen darf. Ob eine drohende Arbeitgeberkündigung rechtmäßig ist, dürfe die Arbeitsagentur seit 2004 nur noch prüfen, wenn „Anhaltspunkte für eine Gesetzesumgehung“ vorliegen.

Im konkreten Fall hätten jedoch „handfeste Tatsachen“ vorgelegen, wonach die drohende Kündigung der Sekretärin nicht zu beanstanden gewesen wäre. So sei eine Sozialauswahl erfolgt, der Arbeitsplatz sei weggefallen und das Integrationsamt hätte der Kündigung ebenfalls zugestimmt. Damit habe die Sekretärin einen „wichtigen Grund“ gehabt, den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Die Sperrzeit auf das Arbeitslosengeld I sei daher zu Unrecht verhängt worden.

Hintergrund der neuen Rechtsprechung ist eine 2004 in Kraft getretene Vorschrift des Kündigungsschutzgesetzes. Danach haben Arbeitnehmer Anspruch auf eine Abfindung, wenn sie bei betriebsbedingten Kündigungen auf eine Klage verzichten. Dies soll insbesondere bei Massenentlassungen eine zügige Abwicklung ermöglichen. Die neue arbeitsrechtliche Vorschrift „hat Auswirkungen auch auf das Arbeitsförderungsrecht“, betonte das BSG.

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