Verrechnet ein Vermieter bei einem Hartz-IV-Bezieher aufgelaufene Mietschulden mit einer Betriebskostenrückzahlung, kann das Jobcenter das gutgeschriebene Geld in der Regel nicht mehr zurückfordern. Dies hat am Mittwoch, 16.05.2012, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel entschieden (AZ: B 4 AS 132/11 R). Die Betriebskostengutschrift stelle zwar Einkommen dar, dieses könne jedoch nur dann mindernd angerechnet werden, wenn es auch „realisiert“ wird, so der 4. Senat des BSG.

Im entschiedenen Rechtsstreit waren bei einem Hartz-IV-Empfänger aus dem Saale-Holzland-Kreis Mietschulden von rund 3.000,00 € aufgelaufen. Als sich aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2008 eine Rückzahlung in Höhe von 1.006,00 € ergab, verrechnete der Vermieter diese mit den Schulden.

Das Jobcenter wertete die nicht ausgezahlte Betriebskostengutschrift trotzdem als Einkommen und kürzte für einen begrenzten Zeitraum die Kostenerstattung für die Unterkunft. Hartz-IV-Leistungen seien nicht dafür da, Schulden zu tilgen, so die Behörde. Ansonsten würden jene Arbeitslosen schlechter gestellt, die keine Schulden hätten. Dies wäre eine unzulässige Ungleichbehandlung.

Der Arbeitslose hielt die Kürzung für rechtswidrig. Nach der geltenden Rechtsprechung dürfe nur solches Einkommen angerechnet werden, dass auch tatsächlich zufließt. Er habe die Betriebskostennachforderung aber faktisch nicht erhalten.

Das BSG verwies das Verfahren zwar wegen fehlender Tatsachenfeststellungen an das Sozialgericht Altenburg, zurück, gab dem Hartz-IV-Empfänger aber im Grundsatz recht. Das ausgewiesene Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung sei zwar als Einkommen zu werten. Dieses könne jedoch nur mindernd berücksichtigt werden, wenn es auch „realisiert“ wird. Außerdem dürfe das Jobcenter nicht einfach die zu übernehmenden Unterkunftskosten kürzen. Dies sei nur bei einer „wesentlichen Änderung in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen“ erlaubt. Eine Änderung der Verhältnisse habe es bei dem Kläger jedoch nicht gegeben.

Ähnlich entschied das BSG in einem weiteren Fall (AZ: B 4 AS 159/11 R). Hier hatte eine Hartz-IV-Empfängerin aus Mönchengladbach von ihrem Jobcenter für das Jahr 2007 insgesamt 2.003,00 € für Heizung und laufende Betriebskosten erhalten. Tatsächlich zahlte die Frau jedoch in dem maßgeblichen Jahr nur 1.777,00 € an ihren Vermieter. Das restliche Geld verwandte sie für ihren Lebensunterhalt.

Wegen der Überzahlung kürzte auch hier das Jobcenter die Leistungen für die Unterkunft. Die überzahlten Betriebskosten stellten ein Guthaben dar, welches angerechnet werden müsse.

Das BSG entschied, dass die Hartz-IV-Empfängerin die Kürzung nicht hinnehmen muss. Das Jobcenter dürfe nach den gesetzlichen Bestimmungen das errechnete Guthaben nicht auf die zu zahlenden Unterkunftskosten mindernd anrechnen. Eine Verringerung der zu übernehmenden Unterkunftskosten sei nur bei einer Änderung in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen zulässig. Die erlassenen Bescheide seien daher rechtswidrig.

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