Zweiminütiges liturgisches Kirchenglockengeläut werktags um sechs Uhr morgens stellt keine schädliche Umwelteinwirkung dar. Kirchennachbarn müssen daher die herkömmlichen, sozial angemessenen und allgemein akzeptierten Glockenklänge hinnehmen, entschied der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in einem am Dienstag, 19.06.2012, bekanntgegebenen Urteil (AZ: 1 S 241/11). Damit darf die Konradskirche in Remshalden-Geradstetten im Rems-Murr-Kreis weiter ihre Glocken in den frühen Morgenstunden läuten.

Der evangelische Kläger, der rund 68 Meter von der Kirche entfernt, wohnt, wollte das zweiminütige Glockengeläut um sechs Uhr morgen unterbinden. Er werde damit gezwungen, ein „akustisches religiöses Zeichen“ zu hören. Verfrühtes Glockengeläut störe ihn beim Lesen der Bibel oder der Meditation. Außerdem wohne dem Glockenläuten vor Sonnenaufgang „ein heidnisches, der Abwehr böser Geister dienendes Element inne“, rügte der Kläger.

In jedem Fall verletze das Läuten der Kirchenglocken seine Grundrechte, insbesondere seine Religionsfreiheit. Er beantragte daher, dass die Glocken zwischen sechs und acht Uhr morgens die Ruhe achten müssen.

Die Kirche pochte ebenfalls auf ihre Religionsfreiheit und ihr kirchliches Selbstbestimmungsrecht. Das morgendliche Geläut sei Zeichen für den Tagesbeginn mit Gott. Dieser Brauch werde seit langem gepflegt und sei sozial angemessen.

Der VGH stellte in seinem Urteil vom 03.04.2012 nun klar, dass es sich hier nicht um innerkirchliche Angelegenheiten handelt und staatliche Gerichte sehr wohl über die Glockenklänge entscheiden können. Allerdings sei das Glockengeläut keine „schädliche Umwelteinwirkung“, so die Mannheimer Richter. Es gebe auch keinen Anhaltspunkt, dass der Geräuschpegel die Schwellenwerte der Technischen Anleitung (TA) Lärm überschreiten. Die TA Lärm schütze die Nachtruhe zudem grundsätzlich nur bis sechs Uhr morgens.

Zwar werde die Religionsfreiheit des Klägers mit dem Läuten der Glocken berührt. Aber auch die Kirche könne sich auf dieses Grundrecht berufen. Daher sei eine Abwägung der Interessen geboten. Letztlich müsse auch die Kürze des Glockenläutens berücksichtigt werden. Dem Kläger verbleibe zwischen sechs und acht Uhr morgens immer noch genügend Zeit zu „ruhiger Schriftlesung und Mediation“, erklärte der VGH.