Mann-zu-Frau-Transsexuelle mit sehr kleiner Brust haben Anspruch auf eine brustvergrößernde Operation. Der Grundsatz, dass die gesetzlichen Krankenkassen keine Eingriffe in gesunde Organe bezahlen, gelte hier ausnahmsweise nicht, urteilte am Dienstag, 11.09.2012, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (AZ: B 1 KR 9/12 R und B 1 KR 3/12 R). Voraussetzung ist danach nur, dass sich anders eine Brust mit mindestens BH-Körbchengröße A noch nicht gebildet hat. Eine vorausgehende Genitaloperation können die Kassen nicht verlangen.

Im ersten Fall waren bei einer heute 62-Jährigen auch nach Hormonbehandlung und Genitaloperation nur sehr kleine Brüste gewachsen. Die Krankenkasse lehnte eine operative Vergrößerung als „Operation an gesunden Organen“ ab. Andernfalls könnten auch genetische Frauen mit kleiner Brust Anspruch auf eine Vergrößerung haben.

Der zweiten Klägerin hatte die Krankenkasse neben Hormonbehandlungen bereits eine operative „Gesichtsfeminisierung“ und zwei Operationen zur Veränderung der Stimmlage bezahlt. Auch für eine Genitaloperation wollte die Kasse aufkommen, die Klägerin wollte diese aber bislang nicht durchführen lassen. Die Kasse argumentierte, durch hormonelle Veränderungen könne sich nach einer Genitaloperation noch eine weibliche Brust bilden. Brustimplantate kämen daher zumindest vorher nicht in Betracht.

Das BSG betonte, der Gesetzgeber habe Transsexualität mehrfach als besondere Ausnahme anerkannt. „Zur Minderung ihres psychischen Leidensdrucks“ sei daher auch eine Ausnahme vom Grundsatz gerechtfertigt, dass Krankenkassen keine Eingriffe in gesunde Organe bezahlen. Als „medizinisch notwendig“ könne eine operative Vergrößerung allerdings nur gelten, wenn die Brust noch nicht eine „unzweifelhaft geschlechtstypische“ Größe erreicht habe. Dies sei gegeben, wenn die Brust einen BH der kleinsten Körbchengröße A „voll ausfüllt“. Im ersten Fall soll dies daher das Landessozialgericht Darmstadt noch prüfen.

Im zweiten Fall sprach das BSG der Klägerin Kostenerstattung für ihre Brustvergrößerung zu. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könne die Krankenkasse nicht verlangen, dass sie sich vorher einer Geschlechtsoperation unterzieht. Das Bundesverfassungsgericht hatte am 11.01.2011 entschieden, dass eine Geschlechtsoperation nicht Voraussetzung für eine offizielle Änderung des Namens sein darf.

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