© runzelkorn - Fotolia.comVerhütung ist Privatsache und muss ab dem 21. Lebensjahr normalerweise aus dem eigenen Portemonnaie bezahlt werden. Diese Altersgrenze bei der gesetzlichen Krankenversicherung gilt auch für die Sozialhilfe, urteilte am Donnerstag, 15.11.2012, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (AZ: B 8 SO 6/11 R). Dach kann es aber Ausnahmen bei besonders hohen Gesundheitskosten geben oder wenn die Verhütung „behinderungsbedingt“ notwendig ist, so der 8. Senat des BSG.

Normalerweise müssten Sozialhilfeempfänger die Kosten für Verhütungsmittel aus dem Regelsatz bezahlen, betonte das BSG. Dieser sieht monatlich 15,55 € für „Gesundheitspflege“ vor.

Geklagt hatte eine 1966 geborene geistig behinderte Frau. Ihr Arzt hatte ihr eine sogenannte „Drei-Monats-Spritze“ als Verhütungsmittel verordnet. Pro Ampulle kostete dies 24,60 €. Die AOK Rheinland hatte eine Kostenübernahme wegen des Alters der Frau abgelehnt. Verhütungsmittel würden nach Ende des 20. Lebensjahrs nicht mehr bezahlt. Auch das Sozialamt der Stadt Rheinberg wollte die Verhütungskosten nicht übernehmen.

Die Anwältin der Klägerin argumentierte, dass zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auch das Sexualleben gehöre. Die Stadt müsse die Verhütungskosten erstatten, um so einen Behinderungsausgleich zu leisten. Denn ihre geistig behinderte Mandantin sei nicht in der Lage sei, ihre Sexualität zu steuern. Daher seien Verhütungsmaßnahmen behinderungsbedingt erforderlich.

Der 8. Senat stellte nun klar, unter welchen Voraussetzungen die Kosten von Verhütungsmitteln erstattet werden können. So müsse bis einschließlich des 20. Lebensjahres die Krankenkasse die Verhütungskosten übernehmen – unter Umständen mit Zuzahlungen der Versicherten. Dies gelte auch für geistig behinderte Frauen.

Für ältere geistig behinderte Frauen müsse der Sozialhilfeträger nur noch im Ausnahmefall die Verhütung im Rahmen der Eingliederungshilfe bezahlen. Dafür müsse ein Arzt feststellen, dass eine zuverlässige Verhütung aus behinderungsbedingten Gründen erforderlich ist. Denkbar ist dies nach Ansicht der Kasseler Richter, wenn Frauen wegen ihrer Behinderung ein „wahlloses Sexualverhalten“ haben, das sie nicht selbst verantwortlich steuern können.

Bei behinderten und nichtbehinderten Sozialhilfeempfängern gleichermaßen kann nach dem Kasseler Urteil ausnahmsweise auch das örtliche Sozialamt die Kosten übernehmen. Das gilt dann, wenn die Gesundheitsausgaben insgesamt deutlich über den im Sozialhilfesatz vorgesehenen 15,55 € liegen. Dieser laufende Bedarf an „Gesundheitspflege“ müsse dabei aber „unabweisbar“ sein, betonte das BSG.

Ob dies bei der Klägerin der Fall war, muss nun das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen noch feststellen. Das BSG hat das Verfahren daher zurückverwiesen.

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