Kleben Lehrerinnen unruhigen Grundschülern zur Disziplinierung Tesafilm auf dem Mund, rechtfertigt dies die fristlose Kündigung. Das Zukleben des Schülermundes mit Klebeband ist „kein zulässiges Erziehungsmittel“, stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Mittwoch, 31.10.2012, veröffentlichten Urteil klar (AZ: 2 AZR 156/11). Ob im verhandelten Rechtsstreit eine Grundschullehrerin tatsächlich Kinder auf diese Weise bestrafen wollte, muss nun das Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen-Anhalt erneut prüfen.

Konkret ging es um Vorwürfe von Erstklässler-Eltern. Diese hatten 2009 der Grundschule mitgeteilt, dass eine Lehrerin zwei Kindern Tesafilm auf den Mund geklebt hatte, weil diese den Unterricht gestört haben sollen. Ein ähnlicher Vorfall soll sich auch schon zwei Jahre zuvor ereignet haben. Eine Schulpsychologin befragte ebenfalls die Kinder, die den Vorfall bestätigten.

Das Land Sachsen-Anhalt kündigte der Grundschullehrerin daraufhin fristlos. Dabei verwies es auf seinen Runderlass „Erziehungsmittel in der Schule“, in dem die „körperliche Züchtigung“ von Schülern für unzulässig erklärt wurde.

Die Grundschullehrerin bestritt, dass sie die Kinder mit dem Tesafilm bestrafen wollte. Sie wollte ursprünglich ein eingerissenes Blatt zusammenkleben. Als ein Schüler unruhig wurde, habe sie ihm gesagt, dass der Tesafilm wohl auf seinen Mund gehöre. Als der Erstklässler dies bejahte, habe sie ihm „aus Spaß“ den Klebestreifen auf die Wange geklebt. Ein weiterer Schüler wollte dann ebenfalls einen Tesafilmstreifen erhalten. Beide Schüler hätten gelacht. Die Äußerungen der Kinder vor der Schulpsychologin entsprächen nicht der Wahrheit.

Das Land ließ sich von dieser Aussage nicht beirren. Die Lehrerin habe eine „unzulässige, inakzeptable und herabwürdigende Erziehungsmethode zum Zweck der Disziplinierung“ angewandt. Den Kindern sei damit Schaden zugefügt worden. Zahlreiche Eltern hätten nach Bekanntwerden der Vorwürfe gedroht, ihre Kinder nicht mehr in diese Schule zu schicken. Die fristlose Kündigung sei gerechtfertigt.

Ob die Kündigung wirksam und sozial gerechtfertigt ist, ist noch offen, so das BAG in seinem Urteil vom 19.04.2012. Denn die Vorinstanz habe nicht ausreichend geklärt, ob die Lehrerin den Tesafilmstreifen zur Disziplinierung auf die Schülermünder geklebt hat. Sei dies der Fall, bestehe ein ausreichender Grund für die fristlose Entlassung. Selbst wenn die Kinder die Maßnahme „als Spaß“ angesehen hätten, würden sie zum „Gespött“ ihrer Freunde und Klassenkameraden. In solch einem Fall hätte die Lehrerin ihre arbeitsvertraglichen Pflichten massiv verletzt. Eine vorherige Abmahnung sei für die Kündigung nicht erforderlich.

Allerdings habe die Lehrerin substanziiert vorgetragen, dass sie den Tesafilm nur auf die Wange der Schüler geklebt habe, und dies auch nicht zur Disziplinierung. Treffe dies zu, sei die Kündigung nicht gerechtfertigt. Dies müsse nun das LAG prüfen.

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