© Fotowerk - Fotolia.comFür die Anerkennung einer Krankheit als Berufskrankheit müssen auch bei seltenen Berufen eindeutige wissenschaftliche Erkenntnisse den Zusammenhang zwischen Gesundheitsschaden und beruflicher Tätigkeit belegen. Eine Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung scheidet sonst aus, urteilte am Dienstag, 18.06.2013, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (AZ: B 2 U 3/12 R und B 2 U 6/12 R). Damit scheiterten eine Violinspielerin und ein Violinspieler mit ihren Klagen.

Berufskrankheiten sind normalerweise in der Berufskrankheiten-Verordnung festgelegt. Bei nicht dort aufgeführten Erkrankungen können diese unter Umständen dennoch von der Berufsgenossenschaft „wie“ eine Berufskrankheit anerkannt werden. Dazu müssen neue Erkenntnisse vorliegen, dass die Erkrankung in erheblich höherem Grade in der entsprechenden Berufsgruppe auftritt, als in der übrigen Bevölkerung.

In den beiden konkreten Fällen wollten die Kläger, die jahrzehntelang in diversen Orchestern gespielt hatten, ihre Beschwerden und Bandscheibenvorfälle im Halswirbelbereich als Berufskrankheit von der Unfallkasse Berlin und der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft anerkannt haben. Sie machten geltend, dass sie oft zehn Stunden täglich Violine spielten. Im Laufe eines Berufsmusikerleben würden so bis zu 90.000 Stunden Geigenspielen zusammenkommen.

Typisch sei, dass während des Spielens eine Zwangshaltung eingenommen und die Geige zwischen Kinn und Schulter geklemmt werde, die sogenannte Schulter-Kinn-Zange. Dies erhöhe auf lange Sicht aber das Risiko von Bandscheibenvorfällen. Die Deutsche Orchestervereinigung schätzt, dass von den rund 4.100 professionellen Violinspielern in Orchestern jeder Fünfte an Hals-Wirbelsäulen-Erkrankungen leidet.

Das Problem: Einen ausreichenden wissenschaftlichen Nachweis, dass die Zwangshaltung der Violinspieler dafür verantwortlich ist, gibt es nicht. Studien werden bei solch kleinen Berufsgruppen nicht oder nur in kleinem Maßstab vorgenommen.

In der früheren DDR oder auch in anderen EU-Ländern wie Frankreich oder Tschechien seien Bandscheibenvorfälle bei Violinspielern als Berufskrankheit anerkannt, betonten die Kläger.

Die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung als „Wie-Berufskrankheit“ ab. Es fehle an wissenschaftlichen Belegen, dass die Volkskrankheit „Bandscheibenvorfall“ bei Violinspielern besonders häufig auftritt.

Das BSG wies die Kläger ebenso ab, wie zuvor das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg in Potsdam (AZ: L 2 U 30/11). Die gesetzlichen Regelungen würden vorsehen, dass nur bei ausreichenden wissenschaftlichen Belegen, besonders häufige Gesundheitsschäden als „Wie-Berufskrankheit“ anerkannt werden können. Zwar habe der Bundesrat 1996 einen Gesetzentwurf vorgeschlagen, nach der Berufskrankheiten auch für seltene Berufsgruppen leichter anerkannt werden können. Dem sei der Gesetzgeber aber nicht gefolgt. Diese Entscheidung müsse das BSG im Hinblick auf die Gewaltenteilung respektieren.

Der Gesetzgeber habe sich bei der Unfallversicherung außerdem für ein System entschieden, bei dem umfassende wissenschaftliche Erkenntnisse für die Anerkennung einer Berufskrankheit vorliegen müssen. Härten, wie im vorliegenden Fall, seien dabei hinzunehmen. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liege nicht vor.

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