© Corgarashu - Fotolia.comPatientinnen, die gewaltlose Berührungen ihrer Geschlechtsteile durch einen Arzt hinnehmen, können später keine staatliche Opferentschädigung geltend machen. Es liege dann keine strafbare Körperverletzung und kein „tätlicher Angriff“ vor, heißt es in einem am Mittwoch, 12.02.2014, veröffentlichten Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle (AZ: L 10 VE 29/12).

Im entschiedenen Fall hatte ein Arzt aus dem Raum Hannover seine Patientin für 19.00 Uhr zur Untersuchung des rechten Beins oberhalb des Knies einbestellt. Nur er und seine 38-jährige Patientin waren in der Praxis. Er forderte sie auf, sich den Slip auszuziehen und auf den Bauch zu legen. Danach nahm er nach Feststellung der Gerichte mit seinem Ultraschallgerät „sexuell motivierte Handlungen“ an ihrer Scheide vor und berührte sie dort auch mit der Hand.

Die Patientin war durchaus irritiert, dachte aber zunächst, der Arzt müsse wissen, was er tue. Zudem fürchtete sie, wenn sie sich beschwere, könne er ihr vorwerfen, sie „würde spinnen“. Erst als sie die Manipulationen nicht mehr ertragen konnte, stand sie auf, zog sich an und verließ die Praxis. Ein Wundgefühl war bereits am nächsten Tag weg.

2002 waren ähnliche Vorfälle mit über 20 weiteren Patientinnen bekanntgeworden. Im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung zahlte der Arzt Schmerzensgelder, auch an die Klägerin. Die Staatsanwaltschaft stellte daraufhin das Verfahren ein.

2007 beantragte die Patientin eine Opferentschädigung. Seit dem Vorfall in der Praxis leide sie unter einem Psychosyndrom mit Depressionen. Das Land Niedersachsen lehnte dies ab.

Zu Recht, wie nun das LSG Celle entschied. Gesetzliche Voraussetzung für eine Opferentschädigung sei ein „tätlicher Angriff“. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müsse dies mit einer „körperlichen Gewaltanwendung“ verbunden sein (BSG-Urteil zum Stalking vom 07.04.2011, AZ: B 9 VG 2/10 R). Anderes gelte nur bei sexuellen Handlungen an Kindern.

Hier sei „körperliche Gewaltanwendung nicht zu erkennen“, betonte das LSG. Die Patientin sei „nicht ihrer Widerstandskraft beraubt gewesen“, trotzdem habe der Arzt aber „keinen Widerstand überwinden müssen“. Der Vorfall sei am ehesten mit gewaltlosem Kindesmissbrauch vergleichbar; die hierzu ergangene Entschädigungs-Rechtsprechung sei aber „nicht auf Opfer im Erwachsenenalter übertragbar“.

Eine Opferentschädigung wegen gewaltloser Berührungen im Geschlechtsbereich setze eine „strafbare Körperverletzung“ oder eine „erhebliche Gefährdungslage für das Opfer“ voraus, heißt es in dem Celler Urteil vom 14.11.2013. Beides habe hier nicht festgestellt werden können.

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