Bei Massenentlassungen dürfen Gewerkschaften Vergünstigungen für ihre Mitglieder aushandeln. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt billigte am Mittwoch, 15.04.2015, einen entsprechenden Ergänzungstarifvertrag zwischen IG Metall und Nokia (AZ: 4 AZR 796/13).

Hintergrund des Streits war ein umfassender Personalabbau im Jahr 2012 bei Nokia Siemens Networks in München. In einem Sozialtarifvertrag vereinbarten Nokia und die IG Metall die Überführung der Arbeitsplätze in eine Transfergesellschaft. Der Bruttolohn sollte dort 70 Prozent des bisherigen Lohns betragen. Als Entschädigung gab es Abfindungen bis zu 110.000,00 €. Diese Regelungen wurden auch vom Betriebsrat als offizieller Interessenausgleich (Sozialplan) übernommen.

Ergänzend schlossen Nokia und IG Metall einen weiteren Tarifvertrag ab. Er sah Vergünstigungen für Arbeitnehmer vor, „die bis einschließlich 23.03.2012, 12.00 Uhr Mitglied der IG Metall geworden sind“. Konkret gab es dann eine zusätzliche Abfindung von 10.000,00 €. Zudem erhöhte sich der Lohn in der Transfergesellschaft von 70 auf 80 Prozent des bisherigen Bruttoeinkommens.

Die Klägerin trat erst nach dem Stichtag, im Juli 2012, der IG Metall bei. Dennoch verlangte sie Leistungen nach dem Zusatztarif, konkret weitere 29.000,00 €.

Wie schon die Vorinstanzen wies nun auch das BAG die Klage ab. Der Ergänzungstarif mit seiner Stichtagsregelung sei von der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie gedeckt und daher wirksam. Die Bedingungen seien von der Klägerin aber nicht erfüllt gewesen.

Eine Gewerkschaft könne ohnehin nur für eigene Mitglieder Tarifleistungen aushandeln, betonten die Erfurter Richter zur Begründung. Dies habe die IG Metall hier getan. Mit der Stichtagsregelung seien die Anspruchsvoraussetzungen lediglich konkretisiert worden.

Die negative Koalitionsfreiheit, also hier die Freiheit der Arbeitnehmer, einer Gewerkschaft nicht beizutreten, werde durch solch einen Tarifvertrag nicht verletzt. Die Handlungs- und Vertragsfreiheit der Arbeitnehmer werde nicht eingeschränkt. Der von der Klägerin geltend gemachte „Druck“ für einen Gewerkschaftsbeitritt unterscheide sich letztlich nicht von dem, der auch sonst besteht, wenn die arbeitsvertraglichen Leistungen hinter den tariflichen zurückbleiben.

Weiter bekräftigte das BAG, dass Arbeitnehmer sich nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz berufen können, wenn Unternehmen lediglich tarifliche Vorgaben umsetzen (so schon Urteil vom 21.05.2014 zu Erziehungsbeihilfen bei Opel, AZ: 4 AZR 50/13).

Im Fall eines Hafenbetriebs in Hamburg hatte das BAG bereits am 23.03.2011 entschieden, dass Tarifverträge Sonderleistungen für Gewerkschaftsmitglieder vorsehen dürfen; danach können die Gewerkschaften allerdings auch vertraglich nicht verhindern, dass der Arbeitgeber dieselben Leistungen freiwillig auch den anderen Arbeitnehmern gewährt (AZ: 4 AZR 366/09).

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