© eschwarzer - Fotolia.comArbeitsvertragliche Verfallsklauseln für rückwirkende Lohnforderungen sind häufig unwirksam. Das hat am Mittwoch, 24.08.2016, das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt zur Pflegebranche entschieden (AZ: 5 AZR 703/15). Danach müssen Verfallsklauseln das Branchen-Mindestentgelt in der Pflege ausdrücklich ausnehmen. Wegen ähnlicher Formulierungen im Mindestlohngesetz ist dies auf andere Arbeitsverhältnisse wohl übertragbar. Ohne die Ausnahme des Mindestentgelts ist die Verfallsklausel laut BAG insgesamt unwirksam.

Sofern es keine entsprechende tarifliche Klausel gibt, wird üblicherweise im Arbeitsvertrag eine Frist gesetzt, innerhalb derer Arbeitnehmer und Arbeitgeber gegenseitige Forderungen geltend machen müssen. Im konkreten Fall einer Pflegehilfskraft waren dies drei Monate. Als sie krank wurde, zahlte der Pflegedienst ihren Lohn nicht fort.

Erst nach Ablauf der Dreimonatsfrist zog die Pflegehelferin vor Gericht. Unter Hinweis auf die Verfallsfrist im Arbeitsvertrag argumentierte daher ihr Arbeitgeber, der Anspruch sei verfallen.

Wie nun das BAG entschied, ist die Klausel jedoch insgesamt unwirksam. Hintergrund ist die am 01.08.2010 in Kraft getretene Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen
für die Pflegebranche. Unter anderem setzt diese eine Mindestvergütung fest. Hierzu bestimmt das Entsendegesetz, auch für andere Branchen, dass Arbeitnehmer auf die Mindestvergütung nicht verzichten können. Ähnlich formulierte Regelungen enthält auch das Anfang 2015 in Kraft getretene Mindestlohngesetz.

Eine Verfallsklausel führt aber dazu, dass der Arbeitnehmer nach Ablauf der Verfallsfrist auch auf seine Mindestvergütung verzichten würde. Dies sei aber unzulässig. Daher müsse eine Verfallsklausel die Mindestvergütung ausdrücklich ausnehmen. Ohne diese Ausnahme sei sie intransparent und daher insgesamt unwirksam, argumentierte das BAG.

Als Konsequenz bleiben bei einem Fristversäumnis daher nicht nur der Mindestlohn oder die branchenbezogene Mindestvergütung vom Verfall verschont, sondern auch andere Forderungen wie etwa höhere Lohnansprüche oder wie hier die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Das Erfurter Grundsatzurteil gilt auf jeden Fall für neue Arbeitsverträge, die nach Inkrafttreten des Mindestlohns Anfang 2015 beziehungsweise nach Inkrafttreten einer entsprechenden Branchenverordnung wie hier für die Pflege ab August 2010 abgeschlossen wurden. Ob dies auch auf ältere Verträge übertragbar ist, blieb nach der vorläufigen Urteilsbegründung am Entscheidungstag noch offen.

Nicht übertragbar ist das Urteil auf tarifliche Verfallsklauseln, weil für sie das allgemeine Transparenzgebot nicht greift. Auch wenn eine Tarifklausel keine Ausnahme für die jeweilige Mindestvergütung macht, bliebe daher wohl nur diese Mindestvergütung Kraft Gesetzes vom Verfall verschont. Zu entscheiden hatte das BAG hierüber allerdings nicht.

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