Wird in einem Betrieb wegen des Verdachts von Zigarettendiebstahls durch Mitarbeiter eine verdeckte Videoüberwachung durchgeführt, können auch andere auf diese Weise entdeckte Straftaten als Beweismittel verwertet werden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird damit noch nicht sofort unzulässig verletzt, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 22.09.2016 (AZ: 2 AZR 848/15). Die Erfurter Richter bestätigten damit die fristlose Kündigung einer Supermarktkassiererin.

Die Frau ist in dem Supermarkt seit 15 Jahren beschäftigt gewesen, zuletzt als stellvertretende Filialleiterin. Sie wurde überwiegend im Kassenbereich eingesetzt.

Als im Oktober 2013 der Arbeitgeber einen Inventurverlust im Bereich „Tabak/Zigaretten“ und „Nonfood“ um mehr als das Zehnfache im Verhältnis zum vergangenen Jahr feststellte, wurde eine verdeckte Videoüberwachung durchgeführt. Der Arbeitgeber ging davon aus, dass Mitarbeiter Zigaretten klauen. Der Betriebsrat stimmte der Videoüberwachung zu.

Doch statt den Zigarettendieb ausfindig machen zu können, wurde die stellvertretende Filialleiterin gefilmt, wie sie eine an der Kasse befindliche „Musterpfandflasche“ über den Scanner zog und sich das Leergutpfand in die eigene Tasche steckte. Laut Kassenbon hatte sie sich eine Pfandbarauszahlung in Höhe von 3,25 € „gegönnt“.

Der Arbeitgeber kündigte ihr daraufhin fristlos wegen Unterschlagung. Die Beschäftigte habe einen regulären Kassiervorgang manipuliert und sich auf diese Weise persönlich bereichert.

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hielt die fristlose Kündigung für wirksam. Zwar habe es sich hier nur um einen relativ geringen Schaden in Höhe von 3,25 € gehandelt, auch sei die Klägerin bereits seit 15 Jahren in dem Supermarkt beschäftigt gewesen. Sie habe jedoch gezielt Kassenvorgänge manipuliert und damit gerade auch als stellvertretende Filialleiterin einen besonders schweren Vertrauensbruch begangen.

Das BAG bestätigte nun diese Einschätzung. Die verdeckten Videoaufnahmen waren zwar allein wegen eines vermuteten Zigarettendiebstahls durchgeführt worden. Zeigen die Aufnahmen jedoch „Zufallfunde“ anderer Straftaten, dürften auch diese grundsätzlich verwertet werden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das damit verbundene Recht am eigenen Bild werden nicht in unzulässiger Weise verletzt.

„Eingriffe in das Recht der Arbeitnehmer am eigenen Bild durch verdeckte Videoüberwachung sind dann zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zulasten des Arbeitgebers besteht“, so das BAG. Auch dürfe es keine Alternativen zu der Videoüberwachung geben. Dies habe das LAG auch so festgestellt.

Nach dem Bundesdatenschutzgesetz dürften personenbezogene Daten eines Beschäftigten – wie hier die Videoaufnahmen – auch dann verarbeitet oder weiter genutzt werden, „wenn dies für die Entscheidung über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist“, heißt es weiter in dem Urteil. Dies sei bei einer Manipulation der Kasse zulasten des Arbeitgebers der Fall. Die außerordentliche Kündigung sei damit nicht zu beanstanden, urteilte das BAG.

Allerdings ist auch nicht jede gegen die Vermögensinteressen des Arbeitgebers gerichtete Vertragspflichtverletzung ohne Weiteres ein Kündigungsgrund, entschied das BAG bereits am 10.06.2010 zur Kündigung der bundesweit bekannten Kassiererin Barbara E., genannt „Emmely“ (AZ: 2 AZR 541/10). Ihr wurde vorgeworfen, dass sie ebenfalls Pfandbons im Wert von insgesamt 1,30 € unterschlagen hat.

In dem „Emmely“-Fall hielt das BAG die fristlose Kündigung für unwirksam. Die Kassiererin habe sich über viele Jahre ein Vertrauen gegenüber dem Arbeitgeber aufgebaut, welches mit der Unterschlagung nicht gänzlich aufgebraucht worden sei. Eine Abmahnung hätte hier ausgereicht.

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