Springt eine in einer Modellwohnung eingesperrte Prostituierte aus Angst vor ihrem Zuhälter aus dem zweiten Stock, kann ein Arbeitsunfall vorliegen. Auch wenn die Frau keinen schriftlichen Arbeitsvertrag für ihre Sexarbeit abgeschlossen hatte, kann trotzdem eine unter dem Schutz der Unfallversicherung stehende Beschäftigung vorliegen, entschied das Sozialgericht Hamburg in einem am Dienstag, 31.01.2017, veröffentlichten, mittlerweile rechtskräftigen Urteil (AZ: S 36 U 118/14).

Damit bekam eine Frau recht, die ursprünglich in ihrem Herkunftsland ein Studium zur Bahn- und Verkehrsingenieurin abgeschlossen hatte. Ihre Einkünfte hatte sie aber bereits mehrfach in westeuropäischen Ländern mit Sexarbeit aufgebessert. Im September 2012 bewarb sie sich auf eine Internetanzeige, in der in Hamburg eine legale Arbeit als Prostituierte angeboten wurde.

Mit einem Touristenvisum reiste sie im Oktober 2012 in Deutschland ein und wurde von ihrem „Arbeitgeber“ in Empfang genommen. Dieser versprach ihr 50 Prozent vom Freierlohn. Der Mann, der sich als Zuhälter entpuppte, wollte zudem für Kost und Logis, Arbeitskleidung, die nötigen Papiere und Flugtickets aufkommen.

Die Frau sollte für ihre Sexarbeit 24 Stunden täglich zur Verfügung stehen. Dazu wohnte sie in der Modellwohnung, in der sie auch die Freier empfing.

Doch als ihr „Arbeitgeber“ sie fast täglich vergewaltigte und sie in der Wohnung einsperrte, wollte sie nur noch in ihr Heimatland zurückkehren. Um fliehen zu können, knotete sie ein Bettlaken am Balkon der im zweiten Stock befindlichen Wohnung und sprang schließlich in Panik auf die Straße. Dabei erlitt sie zahlreiche schwere Knochenbrüche.

Die Polizei befragte die Frau und untersuchte ihren Arbeitsplatz. Dort fand sie ein großes Himmelbett, Handschellen an dessen Kopfende, zahlreiche Kondome und Sexspielzeug vor.

Von der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft wollte die mittlerweile in ihr Heimatland zurückgekehrte Frau den Sprung aus dem zweiten Stock als Arbeitsunfall anerkannt haben.

Doch diese lehnte ab. Die Prostituierte habe keinen konkreten Arbeitsvertrag gehabt. Eine damit verbundene Eingliederung in einen Betrieb habe nachweislich nicht vorgelegen. Wegen des Fehlens eines Beschäftigungsverhältnisses habe sie nicht unter dem Schutz der Unfallversicherung gestanden. Sie habe weder regelmäßig Lohn erhalten, noch sei sie bei einer Krankenkasse angemeldet gewesen. Danach sei sie als Prostituierte „selbstständige Unternehmerin“. Hier könne Versicherungsschutz nur mit Abschluss einer freiwilligen Versicherung bestehen. Diese habe aber nicht vorgelegen.

Ihr sei zudem bekannt gewesen, dass sie mit dem Schengen-Touristenvisum nicht in Deutschland arbeiten durfte. Schließlich habe sie in der Modellwohnung gewohnt und sich damit zu privaten Zwecken dort aufgehalten, so die Berufsgenossenschaft.

In seinem Urteil vom 02.06.2016 stellte das Sozialgericht fest, dass der Sprung aus dem zweiten Stock als Arbeitsunfall anerkannt werden muss. Die Klägerin sei zu diesem Zeitpunkt eine versicherte Person gewesen, da sie als Prostituierte dort einer Beschäftigung nachging. Für den Versicherungsschutz komme es nicht darauf an, ob ein arbeitsrechtlich wirksamer Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde, sondern „auf den Augenblick der Aufnahme der Tätigkeit und die Herstellung der Verfügungsgewalt des Unternehmers über die Arbeitskraft des Beschäftigten“, heißt es in dem Urteil.

Maßgeblich seien das Gesamtbild der Tätigkeit und die „persönliche Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Art der Arbeitsausführung“. Hier habe eine abhängige Beschäftigung und keine selbstständige Beschäftigung vorgelegen. Bei einer selbstständigen Tätigkeit bestehe ein „Unternehmerrisiko“. Dieses musste die Klägerin aber nicht tragen. Sie konnte weder über die Erbringung ihrer Sexarbeit frei verfügen, noch habe sie Rechnungen erstellt, was für eine selbstständige Beschäftigung typisch sei.

Für eine abhängige Beschäftigung spreche auch, dass die Frau sich auf die Internetanzeige als Prostituierte beworben hatte und mündlich vereinbart wurde, wie viel Lohn sie erhalten werde. Auch die Arbeitsmittel wie Kondome, Sexspielzeug, Arbeitskleidung und Handschellen seien vom „Arbeitgeber“ gestellt worden. Zum Unfallzeitpunkt habe ebenfalls eine versicherte Tätigkeit vorgelegen. Denn die Klägerin hatte die Anweisung, in der Modellwohnung Anrufe auf ihrem „Arbeitshandy“ entgegenzunehmen.

Zudem sei der Sprung aus dem zweiten Stock „in seiner finalen Handlungstendenz aus einer aus dem Beschäftigungsverhältnis sich verwirklichenden extremen und speziellen Belastungssituation erfolgt“, so das Sozialgericht. Die Frau habe mit ihrer Flucht direkt zu ihrer Familienwohnung in ihrem Heimatland gehen wollen. Daher sei auch „von einem versicherten Unfall auf dem Weg von der Arbeit zur im Ausland liegenden Familienwohnung auszugehen“.

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