Bundesverfassungsgericht weist Beschwerden von Amazon ab

Für einen Aufruf zum Streik dürfen Gewerkschaften auch den betriebseigenen Parkplatz nutzen, wenn die Belegschaft anders nicht erreicht werden kann. Mit einem am Mittwoch, 05.08.2020, veröffentlichten Beschluss hat dies das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bestätigt (AZ: 1 BvR 719/19 und 1 BvR 720/19). Es wies damit Verfassungsbeschwerden des Online-Handelsriesen Amazon ab und bestätigte die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt.

Die Gewerkschaft Verdi möchte mit Amazon die Anwendung der Tarifverträge des Einzelhandels vereinbaren. Der Online-Händler orientiert sich bei der Vergütung an den deutlich niedrigeren Stundensätzen in der Logistik.

Bei Streiks 2015 und 2016 hatte Verdi unter anderem bei Amazon in Koblenz und Pforzheim auf den von den meisten Arbeitnehmern genutzten Firmenparkplätzen vor dem Haupteingang Infotische und Streikposten platziert, um die zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmer anzusprechen. Amazon wollte dies unterbinden und meinte, das Unternehmen müsse hierfür kein Firmengelände zur Verfügung stellen.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mainz war dem gefolgt (Urteil vom 31.08.2016, AZ: 4 Sa 512/15), das LAG Berlin gab dagegen Verdi recht (Urteil vom 29.03.2017, AZ: 24 Sa 979/16). Am 20.11.2018 urteilte in beiden Fällen auch das BAG zugunsten von Verdi (AZ: 1 AZR 189/17 und 1 AZR 12/17).

Zur Begründung hatte das BAG erklärt: „Das Streikrecht umfasst die Befugnis einer streikführenden Gewerkschaft, die zur Arbeitsniederlegung aufgerufenen Arbeitnehmer unmittelbar vor dem Betreten des Betriebes anzusprechen, um sie für die Teilnahme am Streik zu gewinnen. Eine solche Aktion kann – abhängig von den konkreten örtlichen Gegebenheiten – mangels anderer Mobilisierungsmöglichkeiten auch auf einem vom bestreikten Arbeitgeber vorgehaltenen Firmenparkplatz vor dem Betriebsgebäude zulässig sein.“

Hier habe es an beiden Amazon-Standorten keine andere Möglichkeit gegeben, die überwiegend mit dem Auto kommenden Arbeitnehmer auf den Streik anzusprechen. Daher müsse die Amazon GmbH „eine kurzzeitige, situative Beeinträchtigung ihres Besitzes hinnehmen“, so 2018 das BAG.

Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht nun bestätigt. Den hier bestehenden Konflikt zwischen den Eigentumsrechten von Amazon Asowie dem Streikrecht und der Koalitionsfreiheit von Verdi habe das BAG „nachvollziehbar aufgelöst“. Dabei habe sich das oberste Arbeitsgericht nicht einseitig auf die Seite der Gewerkschaft gestellt, sondern deren Zugang zu den Firmenparkplätzen auf die für die Ansprache der Beschäftigten erforderliche Zeit beschränkt.

Die vom Arbeitgeber gewählte Lage der Betriebe und Betriebsparkplätze hätten Verdi keine andere Möglichkeit gelassen, die jeweiligen Beschäftigten zu erreichen, betonten die Karlsruher Richter. Vor diesem Hintergrund sei die BAG-Rechtsprechung nachvollziehbar, dass Amazon dies begrenzt hinnehmen muss. Der Zugang arbeitswilliger Beschäftigter zu ihrem Arbeitsplatz sei schon wegen der Größe der Parkplätze an beiden Standorten möglich gewesen, so das Bundesverfassungsgericht in seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Beschluss vom 09.07.2020.

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