BAG: Klinikarbeitgeber und Betriebsrat bleiben außen vor

Werben Gewerkschafter in ihrem Betrieb um neue Mitglieder und für die Arbeit der Gewerkschaft, können Arbeitgeber und Betriebsrat keine Mitbestimmungsrechte geltend machen. Weder darf der Arbeitgeber eine von betriebsangehörigen Gewerkschaftsmitgliedern durchgeführte Aktion einfach verbieten, noch darf der Betriebsrat wegen des erlassenen Verbotes der Gewerkschaft beistehen, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem am Freitag, 09.10.2020, veröffentlichten Urteil (AZ: 1 ABR 41/18). Denn die im Grundgesetz geschützte Koalitionsfreiheit und die damit verbundene Betätigungsfreiheit von Gewerkschaftsmitgliedern bietet keinen Raum für Mitbestimmung der Betriebsparteien, so die Erfurter Richter in ihrem Urteil vom 28.07.2020.

Hintergrund des Rechtsstreits war eine Aktion von in einer Klinik beschäftigten vier Mitgliedern der Gewerkschaft Verdi anlässlich des „Internationalen Tages der Pflege“ am 12.05.2017. Die Gewerkschafter hatten außerhalb ihrer Arbeitszeit vor der Kapelle der Klinik an einem Infostand Flugblätter zur Teilnahme an einer Demonstration verteilt. Außerdem sammelten sie Unterschriften für die Verdi-Aktion „Nordrhein-Westfälischer Appell für mehr Krankenhauspersonal“. Dieser beinhaltete die Forderung nach einem gesetzlich festgelegten Personalschlüssel für Kliniken.

Die Pflegedienstleitung der Klinik fand den gewerkschaftlichen Infostand nicht gut und ordnete an, solche Aktionen auf dem Klinikgelände künftig zu unterlassen. Der Betriebsrat wollte dagegen Verdi beistehen. Das Verbot der Pflegedienstleitung habe nicht einseitig erlassen werden dürfen. Er hätte hier wegen seines Mitbestimmungsrechts beteiligt werden müssen, meinte die Arbeitnehmervertretung. Schließlich gehe es bei der Gewerkschaftsaktion um den Pflege-Personalmangel in Krankenhäusern.

Das BAG urteilte, dass es sich hier um eine Verdi-Aktion zur Werbung neuer Mitglieder und der Information von Gewerkschaftern und Nichtmitgliedern gehandelt habe. Sowohl der Arbeitgeber als auch der Betriebsrat hätten hier keine „Regelungsmacht“. Mitbestimmungsrechte der Betriebsparteien gebe es hier nicht. Eine Gewerkschaft könne selbst bestimmen, „an welchem Ort, durch welche Personen und in welcher äußeren Form sie um Mitglieder werben oder Arbeitnehmer beziehungsweise sonstige Dritte über ihre Tätikgeiten informieren will“. Rechtsgrundlage hierfür sei die im Grundgesetz geschützte Koalitionsfreiheit. Diese umfasse auch die Mitgliederwerbung für eine Gewerkschaft und der Information von Mitgliedern und Nichtmitgliedern über gewerkschaftliche Aktivitäten, wie etwa bessere Arbeitsbedingungen erreicht werden können.

 

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