Die Wiederheirat eines katholischen Chefarztes in einem katholischen Krankenhaus darf kein Kündigungsgrund sein. Es stellt eine Diskriminierung wegen der Religion dar, wenn die Klinik katholischen Mitarbeitern eine zweite Ehe verbietet, andersgläubigen und konfessionslosen Mitarbeitern dagegen nicht, urteilte am Mittwoch, 20.02.2019, das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt (Az.: 2 AZR 746/14). Generell wird es für die Kirchen damit schwerer, an eigene Mitglieder strengere Loyalitätsanforderungen zu stellen.

Damit bekam ein katholischer Chefarzt des St. Vinzenz-Krankenhauses in Düsseldorf zehn Jahre nach seiner Kündigung von den obersten Arbeitsrichtern recht. In seinem Arbeitsvertrag hatte er sich verpflichtet, die Grundsätze der katholischen Kirche einzuhalten. Die damals anzuwendende katholische Grundordnung des kirchlichen Dienstes aus dem Jahr 1993 sieht dabei mehrere arbeitsrechtliche Pflichten vor.

So ist es danach katholischen leitenden Beschäftigten nicht erlaubt, nach einer Scheidung erneut zu heiraten. Dahinter steht die Auffassung, dass die Ehe heilig und unauflöslich ist. Eine Wiederheirat wird als schwerwiegende Loyalitätsverletzung gegen den katholischen Arbeitgeber angesehen.

Der sowohl kirchlich als auch standesamtlich verheiratete Chefarzt hatte mit seiner Ehe jedoch kein Glück. Er ließ sich 2005 scheiden. 2008 heiratete er standesamtlich seine neue Lebensgefährtin.

Als der katholische Arbeitgeber davon erfuhr, kündigte er dem Chefarzt. Er habe mit der Wiederheirat gegen die katholische Glaubens- und Sittenlehre verstoßen und damit eine schwerwiegende Loyalitätsverletzung begangen.

Der Chefarzt hielt die Kündigung für unwirksam. Er sah den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Während nach der katholischen Grundordnung katholische leitende Mitarbeiter nicht erneut heiraten dürften, habe das Krankenhaus dies vergleichbaren nichtkatholischen Mitarbeitern erlaubt.

Das BAG war dieser Argumentation zunächst 2011 gefolgt (Urteil vom 08.09.2011, AZ: 2 AZR 543/10). Doch der kirchliche Arbeitgeber sah sein im Grundgesetz verankertes kirchliches Selbstbestimmungsrecht verletzt und legte Verfassungsbeschwerde ein. Das Bundesverfassungsgericht hatte daraufhin das BAG-Urteil 2014 aufgehoben; die katholische Kirche habe das Recht, ihre eigenen Mitglieder schärfer zu sanktionieren als Nichtmitglieder (Beschluss vom 22.10.2014, AZ: 2 BvR 661/12).

Als das BAG nun erneut den Rechtsstreit vorgelegt bekam, sahen die obersten Arbeitsrichter wegen der Ungleichbehandlung des Chefarztes EU-Recht verletzt. Sie legten den Fall nun dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zur Prüfung vor (Vorlagebeschluss vom 28.07.2016, AZ: 2 AZR 746/14 (A)).

Dieser urteilte am 11.09.2018, dass die Kündigung des katholischen Chefarztes wegen seiner Wiederheirat nach EU-Recht wohl rechtswidrig war (AZ: C-68/17). Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen unterliege der Kontrolle der staatlichen Gerichte.

Eine Ungleichbehandlung in Arbeitsverhältnissen müsse aber gerechtfertigt sein, so der EuGH. Kirchliche Arbeitgeber dürften bei der Einhaltung kirchlicher Glaubensgrundsätze nur dann unterschiedliche Maßstäbe anlegen, wenn dies für die konkrete Tätigkeit „wesentlich und gerechtfertigt“ ist.

Hier sei aber fraglich, ob es für die Behandlung von Patienten eine Rolle spiele, dass der Chefarzt erneut geheiratet hat, so der EuGH. Die Luxemburger Richter konnten nicht erkennen, warum höhere Loyalitätsanforderungen für den katholischen Chefarzt gelten sollen, für vergleichbare nichtkatholische Mitarbeiter aber nicht.

Nach diesen Hinweisen des EuGH gab nun das BAG dem Chefarzt erneut recht. Die Kündigung wegen Wiederverheiratung sei unwirksam und sei nicht durch Gründe im Verhalten oder in der Person des Klägers gerechtfertigt. Es sei aus der Tätigkeit des Chefarztes kein Grund ersichtlich, ihn wegen seiner Wiederheirat anders zu behandeln als nichtkatholische Kollegen.

Es liege damit eine nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung wegen der Religion vor. Die entsprechende Vorschrift in der Grundordnung zur Wiederverheiratung aus dem Jahr 1993 sei unwirksam. Der Arzt habe daher nicht gegen seine Loyalitätspflichten verstoßen.

Nur wenn die Einhaltung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre für die berufliche Tätigkeit eine „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte Anforderung darstellt“, könne eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein.

Auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2014 stehe dem nicht entgegen. EU-Recht gehe dem deutschen Recht jedenfalls so lange vor, wie dies „die Verfassungsidentität des Grundgesetzes“ nicht infrage stellt. Das sei bei dem Streit um die Wiederheirat nicht der Fall, so das BAG. Auch seien die Grenzen der EU-Zuständigkeit nicht überschritten. Der EuGH dürfe die Voraussetzungen festlegen, wann kirchliche Arbeitgeber ihre Beschäftigten wegen der Religion ungleich behandeln können.

Das Erzbistum Köln will das schriftliche BAG-Urteil „intensiv prüfen“. Gegen die Entscheidung könnte das Bistum dann erneut Verfassungsbeschwerde einlegen. In diesem Fall könnte es zu einem Konflikt zwischen dem Bundesverfassungsgericht und dem EuGH kommen.

Heute würde der Chefarzt-Fall wohl gar nicht erst vor Gericht landen. So verwies das Erzbistum Köln auf die 2015 geänderte und nicht mehr so strenge Grundordnung des kirchlichen Dienstes. „Der Kündigungssachverhalt wäre nach heute geltendem Kirchenrecht anders zu beurteilen“, so das Erzbistum. Allerdings gehe es in dem Streit auch um generell wichtige Grundsatzfragen.

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