EuGH rügt Dauervertretungen im spanischen Gesundheitswesen

Eine dauerhafte Vertretungsstelle kann einer unzulässigen Kettenbefristung gleichstehen. Das hat am 19.03.2020 der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden (AZ: C-103/18 und C-429/18). Auch die Zustimmung der Arbeitnehmer ändert daran nichts, betonten die Luxemburger Richter in einem Urteil zu Beschäftigten des öffentlichen Gesundheitswesens in Spanien.

Konkret geht es um mehrere Beschäftigte des Gesundheitsdienstes der Region Madrid (Autonome Gemeinschaft Madrid). Sie nahmen ihre Tätigkeiten vertretungsweise war, ihre Arbeitsverträge waren daher bis zur Neubesetzung der jeweiligen Stellen befristet. Allerdings schrieb der öffentliche Arbeitgeber über Jahre die Stellen nicht neu aus. Dies führte faktisch zu einer ständigen Verlängerung der Arbeitsverträge.

Schließlich waren die beiden Arbeitnehmer die Unsicherheit ihres Arbeitsverhältnisses leid. Vor dem jeweils zuständigen Verwaltungsgericht in Madrid verlangten sie die Feststellung eines Dauerarbeitsverhältnisses. Beide Gerichte fragten beim EuGH an, ob es sich hier um nach EU-Recht verbotene Kettenbefristungen handeln könnte.

Dies hat der EuGH nun bejaht. Das Verbot mehrfach „aufeinanderfolgender“ Arbeitsverträge solle die Arbeitnehmer vor Missbrauch schützen. Formal würden hier zwar immer noch die ursprünglichen Arbeitsverträge gelten, faktisch laufe dies aber auf ständige Verlängerungen und damit auf eine Kette befristeter Arbeitsverträge hinaus.

Würden solche Arbeitsverhältnisse ausgenommen, würde das Schutzziel der Regelung „weitgehend ausgehöhlt“, befanden die Luxemburger Richter. Arbeitgeber könnten solche Dauervertretungen dann „in missbräuchlicher Weise zur Deckung eines ständigen und permanenten Arbeitskräftebedarfs nutzen“. Hier hätten die vorlegenden Gerichte festgestellt, dass das öffentliche Gesundheitswesen in Spanien einen hohen Anteil an Arbeitnehmern ohne Festanstellung aufweist, obwohl diese staatlich Daueraufgaben wahrnehmen.

Nationale Regelungen, die einen solchen Missbrauch ermöglichen, seien mit EU-Recht nicht vereinbar, betonten die Luxemburger Richter. Dass hier die Arbeitnehmer der Dauervertretung zugestimmt haben, ändere daran nichts. Die Arbeitnehmer seien gegenüber dem Arbeitgeber in der Regel in der schwächeren Position und dürften daher nicht „Opfer eines missbräuchlichen Rückgriffs des Arbeitgebers auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverhältnisse werden“.

Im Streitfall müssen die spanischen Gerichte nun versuchen, das nationale Recht so auszulegen, dass es mit der Auslegung des EU-Rechts durch den EuGH vereinbar ist. Allerdings sei das EU-Recht hier nicht so klar formuliert, dass Arbeitnehmer sich unmittelbar darauf berufen können, räumten die Luxemburger Richter ein. Als Konsequenz müssen die spanischen Gerichte die nationalen Vorschriften nicht unangewendet lassen, wenn ihnen eine EU-konforme Auslegung nicht möglich ist.

 

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Die Anzahl der befristeten Arbeitsverträge haben im Jahre 2017 eine neue Rekordhöhe erreicht. Nach Angaben des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) waren ca. 3,15 Millionen Menschen in Deutschland befristet beschäftigt – also etwa jeder Zwölfte. Im ersten Halbjahr 2017 seien 42% der Vertragsänderungen bei Befristungen auf innerbetriebliche Übernahmen zurückzuführen. Laut IAB seien 33% der auslaufenden befristeten Verträge verlängert, rund 25% beendet worden. Hier geht es zur Artikel-Serie.

 

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