LAG Rostock: Schwerbehindertem Bewerber steht Entschädigung zu
Kann ein schwerbehinderter Stellenbewerber wegen eines bereits gebuchten Urlaubs nicht den Termin für ein Vorstellungsgespräch wahrnehmen, müssen öffentliche Arbeitgeber in der Regel einen Ersatztermin anbieten. Andernfalls kann dies ein Indiz für eine Diskriminierung wegen der Behinderung sein, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 29.07.2025 (AZ: 5 SLa 44/24). Eine entschädigungspflichtige Diskriminierung kann auch vorliegen, wenn der öffentliche Arbeitgeber keinen ausreichenden Vermittlungsauftrag an die Arbeitsagentur eingereicht und die Schwerbehindertenvertretung nicht über die Bewerbung schwerbehinderter Bewerberinnen und Bewerber „umgehend“ unterrichtet hat.
Der schwerbehinderte Kläger hatte sich bei einer Stadt in Mecklenburg-Vorpommern auf eine unbefristete Vollzeitstelle als „Leiter*in Abteilung Migrationsamt“ beworben. Aufgrund der Corona-Pandemie waren auch Vorstellungsgespräche als Videokonferenz möglich.
Der Kläger verwies in seiner Bewerbung auf seine Tätigkeiten als Anwalt. Von Oktober 2016 bis Ende Juni 2020 arbeitete er zudem in der Zentralen Ausländerbehörde Niederbayern als Sachbearbeiter und war er für die Abschiebung vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer zuständig.
Die Kommune lud ihn mit Schreiben vom 20.01.2023 zum Vorstellungsgespräch am 06.02.2023 ein. Noch am selben Tag teilte der Kläger der Stadt mit, dass er an dem Termin wegen eines gebuchten Indien-Urlaubs nicht könne. Er bat um einen Ersatztermin.
Die Stadt lehnte dies ab. Als der Kläger aus seinem Urlaub zurückkehrte, erhielt er wegen der Nichtteilnahme am Vorstellungsgespräch eine Absge.
Der Kläger fühlte sich wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert.
Die Stadt sei als öffentlicher Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, dem Grunde nach geeignete schwerbehinderte Stellenbewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Könnten Bewerber aus gutem Grund einen ersten Vorstellungstermin nicht wahrnehmen, sei es der Kommune zuzumuten, einen Ersatztermin anzubieten. Im konkreten Fall wäre von Indien aus auch eine Videokonferenz möglich gewesen.
Weitere Indizien für eine Diskriminierung seien, dass die Stadt der Arbeitsagentur keinen ausreichenden Vermittlungsauftrag für die Stelle erteilt und die Schwerbehindertenvertretung nicht umgehend über die schwerbehinderten Stellenbewerber unterrichtet hat. Der Kläger forderte eine Entschädigung in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern, insgesamt 21.173,00 €.
Die Stadt meinte, dass sie in Absprache mit der Schwerbehindertenvertretung nicht verpflichtet gewesen sei, einen Ersatztermin für das Vorstellungsgespräch anzubieten. Die Klage sei offensichtlich rechtsmissbräuchlich. Zum einen sei der Kläger überqualifiziert, zum anderen habe er Medienberichten zufolge in einer Vielzahl von Fällen Diskriminierungsklagen angestrengt.
Ebenso wie das Arbeitsgericht Rostock sprach auch das LAG dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 4.597,00 € zu. Es lägen mehrere Indizien für eine Diskriminierung wegen der Behinderung vor, die der Arbeitgeber nicht entkräftet habe, erklärte das LAG. Die Stadt hätte dem Kläger einen Ersatztermin für ein Vorstellungsgespräch anbieten müssen. Bei einer kurzfristigen Erkrankung oder einem Urlaub sei die Verschiebung des Termins bei „organisatorischer Machbarkeit“ regelmäßig zumutbar. Warum dies bei dem Kläger nicht möglich war, habe die Stadt nicht aufgezeigt. Auch wäre eine Videokonferenz ebenfalls infrage gekommen.
Die Stadt sei als öffentlicher Arbeitgeber verpflichtet gewesen, bei der Arbeitsagentur einen Vermittlungsauftrag mit den genauen Angaben zur Stellenausschreibung einzureichen. Dem sei sie nicht ausreichend nachgekommen. Auch hätte sie nach dem Gesetz „umgehend“ die Schwerbehindertenvertretung über die schwerbehinderten Bewerber informieren müssen. Dies sei aber erst nach einem Monat geschehen, so das LAG.
Schließlich sei die Klage nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt. Eine hohe Anzahl von Bewerbungen sei noch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten. Der Kläger habe zudem das Anforderungsprofil der Stellenausschreibung erfüllt, was ebenfalls auf keinen Rechtsmissbrauch hinweise.
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