figur erleuchtungAuch die Tätigkeit des „Wunderheilers“ ist von der Berufsfreiheit geschützt. Das hat das Amtsgericht Gießen in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 12.06.2014 entschieden (AZ: 507 Cs 402 Js 6823/11). Voraussetzung ist danach, dass der Heiler keine nicht vorhandenen wissenschaftlichen Belege vortäuscht, und dass er seine Kunden nicht davon abhält, auch Ärzte aufzusuchen.

Es sprach damit einen Mann aus Mittelhessen frei, der seine Dienste in Zeitungsanzeigen angeboten hatte. Seine „geistigen Kräfte“ würden gegen Beschwerden wie Krebs, Demenz, Alzheimer, Körpervergiftung, Hepatitis oder HIV helfen.

Seine Behandlung begann mit einer Analyse des Gesundheitszustands verschiedener Organe mittels eines Pendels. Danach legte er seinen Kunden die Hände auf. Teilweise erfolgte auch eine „Fernheilung“ durch das Telefon. Innerhalb gut eines Jahres behandelte der Mann so 58 kranke Personen. Diese bezahlten dafür zwischen 60,00 bis 1.000,00 €.

Eine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz hatte der Mann nicht. Die Staatsanwaltschaft wertete seine Arbeit daher als Verstoß gegen das Heilpraktikergesetz und zudem als Betrug.

Das Amtsgericht Gießen hob den Strafbefehl nun auf. Der Mann habe schon deshalb nicht gegen das Heilpraktikergesetz verstoßen, weil er gar keine Heilkunde ausübe. Denn dies setze voraus, dass die Tätigkeit neben Heilung auch „nennenswerte gesundheitliche Schädigungen verursachen“ könne. Das sei weder beim Pendeln noch beim Handauflegen oder „Fernheilen“ der Fall. Er habe sämtliche Kunden auch auf die normale Medizin verwiesen und stets geraten, eine normale schulmedizinische Behandlung nicht abzubrechen.

Mit dieser Argumentation stellt sich das Amtsgericht gegen ein Uralt-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe, kann sich dabei aber auf das Bundesverfassungsgericht stützen. Der BGH hatte 1977 entschieden, dass Heilkunde immer dann vorliege, wenn der Eindruck einer möglichen Heilung geweckt werde; erlaubt sei lediglich die Zusicherung, „die Hilfe Gottes für den Kranken zu erbitten“ (Urteil vom 13.09.1977, AZ: 1 StR 389/77).

Nach Überzeugung des Amtsgerichts liegt hierin „eine einem staatlichen Gericht in einem säkularen Staat nicht zustehende Privilegierung von Religion gegenüber außerreligiösem aber gleichwohl die Transzendenz in Anspruch nehmenden Lehren und Tun“.

Zudem verweisen die Gießener Richter auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 2004. Hier hatte auch das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass ein Wunderheiler nach „verfassungskonformer Auslegung“ nicht dem Begriff der Heilkunde unterfällt; das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main, das einen ebenfalls mit Handauflegen behandelnden Wunderheiler verurteilt hatte, habe die Berufsfreiheit nicht ausreichend berücksichtigt (Beschluss vom 03.06.2004, AZ: 2 BvR 1802/02).

Und wörtlich heißt es in dem Karlsruher Beschluss: „Ein sogenannter Wunderheiler, der spirituell wirkt und den religiösen Riten näher steht als der Medizin, weckt im Allgemeinen die Erwartung auf heilkundlichen Beistand schon gar nicht. Die Gefahr, notwendige ärztliche Hilfe zu versäumen, wird daher eher vergrößert, wenn geistiges Heilen als Teil der Berufsausübung von Heilpraktikern verstanden wird.“

Das Amtsgericht Gießen ließ gegenüber dem mittelhessischen Wunderheiler auch den Vorwurf des Betrugs nicht gelten. Der Mann sei von seinen Kräften überzeugt; ein Täuschungsvorsatz könne ihm schon deshalb nicht vorgeworfen werden. Er habe auch keinem seiner Kunden irgendwelche wissenschaftliche Belege für seine Heilkraft vorgegaukelt.

Tatsächlich hatten von den Kunden nur wenige angegeben, sie seien geheilt worden. Doch auch von den anderen meinte kein Einziger, er sei getäuscht oder gar betrogen worden.

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