BAG: Nicht jede Tätigkeit ist „wissenschaftliche Hilfstätigkeit“

Hochschulen können Studierende nicht für jede Tätigkeit befristet einstellen. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetzes erlaubt dies nur für wissenschaftliche Hilfstätigkeiten, die „originär wissenschaftliches Personal“ in Forschung und Lehre „unmittelbar unterstützt“, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am 02.10.2021 veröffentlichten Urteil (AZ: 7 AZR 245/20). Sekretariats- und andere Tätigkeiten für „die organisatorischen Grundlagen“ einer Hochschule gehören danach nicht dazu. Es reiche nicht aus, wenn eine Tätigkeit allgemein der Wissenschaft zugutekommt.

Damit erstritt sich eine frühere Informatikstudentin der FU Berlin einen unbefristeten Arbeitsplatz. Mit mehreren befristeten Verträgen arbeitete sie dort sechs Jahre lang im „Center für Digitale Systeme (CeDiS)“. Dies ist eine zentrale Einrichtung der Uni, die Beschäftigte in Lehre und Forschung beim Einsatz digitaler Medien und Technologien unterstützt.

Der letzte Vertrag lief über 60 Stunden pro Monat und endete am 30.04.2018. Mit ihrer Klage forderte die Studentin eine unbefristete Stelle. Die auf das Wissenschaftszeitvertragsgesetzes gestützte Befristung sei unzulässig gewesen.

Dieses Gesetz erlaubt die Befristung von Arbeitsverträgen mit Studierenden „zur Erbringung wissenschaftlicher oder künstlerischer Hilfstätigkeiten“ auf maximal sechs Jahre.

BAG urteilt zugunsten der Mitarbeiterin

Nach dem Erfurter Urteil setzt dies voraus, „dass die wissenschaftliche Arbeit anderer in Forschung und Lehre unmittelbar unterstützt wird“. Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift genüge dabei „nicht jede Hilfstätigkeit, die der Wissenschaft in irgendeiner Weise von Nutzen ist“. Die Hilfstätigkeit müsse „auf die Erledigung wissenschaftsspezifischer Aufgaben gerichtet sein“.

„Studierende, die ‚wissenschaftliche Hilfstätigkeiten‘ ausüben, sind mithin (…) Personen, die für in Forschung und Lehre tätige Personen unterstützende und zuarbeitende Tätigkeiten verrichten“, heißt es in dem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil vom 30.06.2021. „Zu diesem Aufgabenprofil zählen etwa (…) die Korrektur von Klausuren und sonstiger Übungsarbeiten, die Zusammenstellung wissenschaftlicher Materialien oder die sonstige unmittelbare Unterstützung von Hochschullehrern bei deren wissenschaftlicher Arbeit.“

Eine Hilfstätigkeit in wissenschaftsunterstützenden Bereichen der Hochschule, die „für die organisatorischen Grundlagen zuständig sind“, sei dagegen keine Tätigkeit, für die das Wissenschaftszeitvertragsgesetzes eine Befristung erlaube, betonte das BAG. Das gelte etwa für Sekretariats- und Verwaltungsaufgaben, das allgemeinen Bibliothekswesen und den technischen Betriebsdienst.

Diese Auslegung entspreche auch dem Ziel des Gesetzes, Studierenden mit „wissenschaftliche Hilfstätigkeiten“ noch während des Studiums einen Einstieg in wissenschaftliche Tätigkeiten zu ermöglichen. Landesgesetze dürften davon nicht abweichen, um darüber hinausgehende Befristungen zu ermöglichen.

Maßgeblich sind nach dem Erfurter Urteil vorrangig „die Umstände bei Vertragsschluss“. Tatsächliche Änderungen, etwa die Zuweisung wissenschaftlicher Hilfstätigkeiten zum Schluss der Vertragslaufzeit, ändern den Status daher nicht mehr.

Im Streitfall sei die Informatikstudentin keine „wissenschaftliche Hilfskraft“ gewesen. Sie habe „nicht unmittelbar für eine wissenschaftliche Einrichtung“ gearbeitet, sondern in der zentralen Einrichtung CeDiS. Forschung und Lehre würden dort nicht betrieben. Aufgabe der Studentin sei die technische Beratung und Betreuung der wissenschaftlichen Einrichtungen der FU Berlin gewesen. Einen Bezug zu den wissenschaftlichen Inhalten der betreuten Fachbereiche habe ihre Arbeit nicht gehabt.

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Artikel-Serie zu Befristungen

Die Anzahl der befristeten Arbeitsverträge haben im Jahre 2017 eine neue Rekordhöhe erreicht. Nach Angaben des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) waren ca. 3,15 Millionen Menschen in Deutschland befristet beschäftigt – also etwa jeder Zwölfte. Im ersten Halbjahr 2017 seien 42% der Vertragsänderungen bei Befristungen auf innerbetriebliche Übernahmen zurückzuführen. Laut IAB seien 33% der auslaufenden befristeten Verträge verlängert, rund 25% beendet worden. Hier geht es zur Artikel-Serie.

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