Teilzeitkräfte haben bei Überstunden künftig öfter Anspruch auf einen Mehrarbeitszuschlag. Nach einem am Mittwoch, 19.12.2018, verkündeten Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt wird dieser meist bereits dann fällig, wenn der Arbeitnehmer mehr arbeitet als individuell vereinbart (AZ: 10 AZR 231/18). Damit rückte der Zehnte BAG-Senat von seiner früher gegenläufigen Rechtsprechung ab.

Konkret gab er einer stellvertretenden Filialleiterin in der Berliner Systemgastronomie recht. In dieser Branche wird die Arbeitszeit meist nicht nach Wochenstunden, sondern auf das Jahr bezogen vereinbart. Bei der Klägerin waren dies 1.818 Stunden, das entspricht knapp 90 Prozent einer vollen Stelle mit 2.028 Stunden.

Im Abrechnungszeitraum November 2015 bis Oktober 2016 arbeitete die stellvertretende Filialleiterin knapp 20 Stunden mehr, als laut Arbeitsvertrag vorgesehen. Ihr Arbeitgeber zahlte hierfür den normalen Lohn von 13,22 € pro Stunde.

Mit ihrer Klage forderte die stellvertretende Filialleiterin zusätzlich den tariflichen Mehrarbeitszuschlag von 33 Prozent, insgesamt 85,90 €.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht in Berlin gaben der Klage weitgehend statt. Dem ist in oberster Instanz nun auch das BAG gefolgt.

„Die Auslegung des Tarifvertrags ergibt, dass Teilzeitbeschäftigte mit vereinbarter Jahresarbeitszeit einen Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge für die Arbeitszeit haben, die über ihre individuell festgelegte Arbeitszeit hinausgeht“, urteilten die Erfurter Richter. Hier habe der Arbeitgeber daher die stellvertretende Filialleiterin wegen ihrer Teilzeitarbeit benachteiligt.

Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz dürfen Teilzeitbeschäftigte „wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen“.

Bislang war eine solche Rechtfertigung darin gesehen worden, dass Teilzeitbeschäftigte insgesamt weniger belastet seien. Ein Mehrarbeitszuschlag solle aber die besondere Belastung ausgleichen, die erst bei Arbeiten über eine volle Stelle hinaus besteht.

Entsprechend hatte früher auch der Zehnte BAG-Senat entschieden. Diese Rechtsprechung gab er nun auf. Im Streit um die Wechselschichten eines Krankenpflegers hatte 2017 auch schon der Sechste BAG-Senat zugunsten der Teilzeitkraft entschieden (Urteil vom 23.03.2017, AZ: 6 AZR 161/16). Dem schloss sich der Zehnte Senat nun an.

Entscheidend ist danach, wie der Tarif- oder Arbeitsvertrag den Zuschlag begründet. Stellt er allein auf die Mehrarbeit ab, wird der Zuschlag ab Überschreiten der individuell vereinbarten Arbeitszeit fällig. Anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Tarifvertrag den Zuschlag ausdrücklich auf die „absolute Belastung“ durch Arbeit über eine volle Stelle hinaus bezieht.

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