Das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg hat den gesetzlichen Schutz der Arbeitnehmer vor einer Kündigung wegen Krankmeldung gestärkt. Wenn eine Kündigung im zeitlichen Zusammenhang mit der Krankmeldung erfolgt, muss danach der Arbeitgeber nachweisen, dass die Krankmeldung nicht Anlass für die Kündigung war; andernfalls bleibt der Anspruch auf Lohnfortzahlung für sechs Wochen erhalten, selbst wenn das Arbeitsverhältnis wegen der Kündigung schon vorher endet, so das LAG in einem am Freitag, 08.11.2019, veröffentlichten Urteil (AZ: 5 Sa 115/19).

Laut Entgeltfortzahlungsgesetz bleibt der sechswöchige Lohnfortzahlungsanspruch in jedem Fall erhalten, wenn „der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt“. Dies schützt vor allem Arbeitnehmer in der Probezeit, für die die Kündigungsfrist nur zwei Wochen beträgt. Aber auch danach liegt die gesetzliche Kündigungsfrist in den erst zwei Beschäftigungsjahren bei nur vier Wochen.

Im Streitfall war die Arbeitnehmerin an einem Donnerstag als „Mitarbeiterin Kundenservice“ eingestellt worden und sollte zunächst Schulungen durchlaufen. Schon am darauffolgenden Montag meldete sie sich telefonisch krank. Nach ihren Angaben hatte ihr Vorgesetzter bei diesem Gespräch auf die Wichtigkeit der Schulungen verwiesen und die Möglichkeit einer Kündigung angedeutet. Dienstag und Mittwoch erschien sie zu den Schulungsterminen, fiel dann wegen derselben Erkrankung aber erneut aus. Eine Woche später kündigte der Arbeitgeber mit einer Frist von zwei Wochen.

Nach Ende des Arbeitsverhältnisses erhielt die Frau Krankengeld. Die Krankenkasse forderte vom Arbeitgeber aber 1.570,00 € zurück. Er habe anlässlich der Krankmeldung gekündigt und sich so drei Wochen Lohnfortzahlung erspart. Dagegen meint der Arbeitgeber, die Mitarbeiterin habe überfordert und desinteressiert gewirkt und sei deshalb entlassen worden.

Arbeitgeber muss zahlen

Mit seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil vom 04.07.2019 gab das LAG der Kassen-Klage in voller Höhe statt. Der Arbeitgeber habe „aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit“ gekündigt.

„Der Begriff ‚aus Anlass’ ist weit auszulegen“, betonten die Nürnberger Richter unter Hinweis auf ältere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt (BAG-Urteile vom 17.04.2008, AZ: 5 AZR 2/01 und vom 14.04.2002, AZ: 5 AZR 2/01). Danach müsse die Krankheit nicht der alleinige Grund für die Kündigung sein. „Es genügt, wenn die Kündigung ihre objektive Ursache und wesentliche Bedingung in der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers hat und den entscheidenden Anstoß für den Kündigungsentschluss gegeben hat.“

Beweispflichtig sei grundsätzlich zwar zunächst die Arbeitnehmerin. Sie oder hier die Krankenkasse könne sich aber auf einen sogenannten Anscheinsbeweis stützen, „wenn die Kündigung in zeitlich engem Zusammenhang zur angezeigten Arbeitsunfähigkeit ausgesprochen worden ist“. Eine „Anlasskündigung“ sei dann zu vermuten. Daher sei es dann Sache des Arbeitgebers, den Anscheinsbeweis durch einen glaubhaften Vortrag anderer Kündigungsgründe zu erschüttern.

Hier habe ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Krankmeldung und Kündigung bestanden. Den damit verbundenen „Anscheinsbeweis“ habe der Arbeitgeber nicht erschüttern können. Nach eigenem Arbeitgebervortrag sei das Fehlen bei den Schulungen der Kündigungsgrund gewesen. Grund für dieses Fehlen sei aber die Erkrankung gewesen, so das LAG. Wenn die Arbeitnehmerin – nach eigenen Angaben auf den Druck des Vorgesetzten hin – trotz ihrer Krankheit noch zwei Tage an den Schulungen teilgenommen habe, sei eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit wenig verwunderlich. Es sei daher treuwidrig, wenn sich der Arbeitgeber „auf ein solches Verhalten der Arbeitnehmerin während ihr Arbeitsunfähigkeit beruft“, heißt es in dem Nürnberger Urteil.

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