LAG Berlin-Brandenburg: Arbeitsweg in Uniform ist keine bezahlte Arbeitszeit

Sparen sich Arbeitgeber Umkleideräume für ihre Beschäftigten, kann dies nach hinten losgehen. Denn sind Arbeitnehmer zum Tragen auffälliger Dienstkleidung verpflichtet, können sie außerhalb der regulären Arbeitszeit zu Hause die Zeiten für das An- und Ablegen der Berufskleidung als Überstunden vergütet bekommen, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 21.08.2019 (AZ: 15 Sa 575/19). Zeiten für das Zurücklegen des Arbeitsweges in der auffälligen Dienstkleidung seien allerdings regelmäßig nicht vom Arbeitgeber zu vergüten, so die Berliner Richter.

Vor Gericht war ein als Polizist angestellter Mann gezogen, der in Berlin im Objektschutz eingesetzt wurde. Er bewachte Synagogen, jüdische Kindergärten oder auch die privaten Wohnungen von Politikern. Das Land Berlin schrieb ihm vor, seine Arbeit in Dienstuniform mit der Aufschrift „Polizei“ und mit einer Schutzausrüstung zu verrichten. Außerdem sollte er eine geladene Waffe tragen.

Doch weder in den Nebenwachen noch in den jeweiligen Überwachungsobjekten hatte der Polizist ausreichende Möglichkeiten, seine Uniform anzuziehen. Meist gab es keinerlei Umkleidemöglichkeiten, dann waren diese nicht nach Geschlechtern getrennt oder es fehlte ein Spind, in dem private Kleidung und Gegenstände weggeschlossen werden konnten.

So zog der Polizist seine Dienstkleidung zu Hause an. Für die Umkleidezeiten, die Zeiten für das Laden und Sichern der Waffe sowie die Wegezeiten, die er in Uniform zum Einsatzort zurücklegte, verlangte er eine Überstundenvergütung. Allein für das An- und Ausziehen von Uniform und Schutzausrüstung würden täglich schon 16 Minuten anfallen.

Nach den tariflichen Regelungen wird eine Vergütung der Umkleidezeiten zumindest nicht ausgeschlossen.

LAG entscheidet teilweise zugunsten des Klägers

Das LAG gab dem Kläger teilweise recht und verwies auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Das Land müsse ihm die täglichen Umkleidezeiten als Überstunden bezahlen, da es das Tragen der auffälligen Dienstkleidung vorschreibe und keine ausreichenden Möglichkeiten zum Umkleiden während der Arbeitszeit zur Verfügung stelle. Weder gebe es nach Geschlechtern getrennte Umkleideräume, noch könnten die privaten Sachen in einem Spind abgeschlossen werden. Der Hinweis des Landes, dass diese in eine Sporttasche gelegt werden können, sei keine „adäquate Alternative“.

Das Anlegen der Uniform diene allein dem Interesse des Arbeitgebers. Solche „fremdnützigen“ Tätigkeiten außerhalb der regulären Arbeitszeit müssten vom Arbeitgeber auch bezahlt werden, betonte das LAG. Für das An- und Ausziehen müssten schätzungsweise zehn Minuten täglich berücksichtigt werden. Da der Kläger wegen einer Schwerbehinderung etwas mehr Zeit benötige, seien bei ihm täglich zwölf Minuten Umkleidezeit als „ungeplante Überstunden“ zu vergüten.

Das Laden und Anlegen der Waffe könne dagegen nicht berücksichtigt werden, da dies auch in der Wache möglich sei. Die Wegezeiten zwischen Wohnung und Einsatzort seien ebenfalls nicht zu vergüten. Denn das Zurücklegen des Arbeitsweges diene nicht nur dem Interesse des Arbeitgebers, sondern auch des Klägers.

Zwar habe das BAG am 26.10.2016 noch geurteilt, dass das Zurücklegen des Weges in Uniform vor allem im Interesse des Arbeitgebers sei. Ob damit eine Vergütungspflicht einhergeht, sei aber unklar, so das LAG Berlin-Brandenburg. Der Kläger hat mittlerweile Revision beim BAG eingelegt (dort AZ: 6 AZR 659/19).

Zu den Umkleidezeiten von Klinik- und Arztpersonal außerhalb der regulären Arbeitszeit hatte das BAG bereits am 06.09.2017 entschieden, dass diese als Überstunden vergütet werden müssen (AZ: 5 AZR 382/16). Voraussetzung hierfür sei, dass eine leicht erkennbare Dienstkleidung getragen werden müsse. Dem Verweis des Arbeitgebers, dass die Beschäftigten die weiße Kleidung ja zu Hause an- und ablegen können, sei nicht zu folgen.

Zwar sei auf der Dienstkleidung kein Logo oder Emblem des Krankenhauses aufgedruckt, dennoch handele es sich um eine „besonders auffällige“ Kleidung, so das BAG im entschiedenen Fall. Denn anhand der Dienstkleidung könne der Kläger von Dritten leicht der Gesundheitsbranche zugeordnet werden. Für die Zuordnung zu einer Branche oder einem Berufszweig sei es ohne Bedeutung, ob die Dienstkleidung in dezenten oder auffälligen Farben gehalten ist. „An der Offenlegung seiner beruflichen Tätigkeit gegenüber Dritten hat der Arbeitnehmer regelmäßig kein eigenes Interesse“, heißt es in dem Erfurter Urteil.

 

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