LAG Mainz: Stilllegung muss aber „greifbare Formen“ haben

Bereits bei der Absicht einer Betriebsstilllegung dürfen Arbeitgeber ihre Mitarbeiter kündigen und müssen nicht erst bis zur tatsächlichen Stilllegung waren. Es reicht aus, dass die Umstände der Betriebsstilllegung bereits „greifbare Formen“ angenommen haben und bis zum Ablauf der einzuhaltenden Kündigungsfrist die Stilllegung durchgeführt sein wird, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz in einem am Mittwoch, 16.09.2020, veröffentlichten Urteil (AZ: 1 Sa 470/19).

Der heute 64-jährige Kläger arbeitete als „Delivery and Logistik Manager“ bei einem Unternehmen, welches Dienstleistungen für eine US-Autohandelsgruppe erbringt. Das Unternehmen ist mit der Autohandelsgruppe, welches weltweit Fahrzeuge an US-Militärangehörige sowie Angehörige der NATO-Streitkräfte verkauft, teilweise gesellschaftlich verwoben. Der Kläger war im wesentlichen für die Koordination der Auslieferung der Fahrzeuge verantwortlich.

Als drei weitere Konzernfirmen ihre mit dem beklagten Unternehmen vereinbarten Dienstleistungsverträge kündigten und damit der Geschäftsbetrieb nicht mehr möglich war, wurde eine Betriebsstilllegung beschlossen. Der Kläger erhielt daraufhin die Kündigung.

LAG entscheidet zu Gunsten des Unternehmens

Diese ist auch wirksam, befand das LAG in seinem Urteil vom 16.06.2020. Solch eine Beendigungskündigung sei auch möglich, wenn die Betriebsstilllegung noch nicht durchgeführt, sondern nur beabsichtigt sei. Die Stilllegung müsse dann aber „greifbare Formen“ aufweisen.

Dies sei hier der Fall gewesen. Der Arbeitgeber sei wegen der Kündigung der Dienstleistungsverträge in Bedrängnis geraten. Er habe zudem alle Arbeitsverhältnisse zum 31.12.2019 beziehungsweise zum Ablauf einer längeren Kündigungsfrist zum nächst gelegenen Zeitpunkt gekündigt. Nach dem Jahreswechsel habe der Arbeitgeber keine – mit Ausnahme der reinen Liquidation – betrieblichen Tätigkeiten mehr vorgenommen.

Der Einwand des Klägers, dass sein Arbeitgeber nur alle Beschäftigten loswerden wollte und der Geschäftsbetrieb mit neuen Mitarbeitern fortgesetzt werden sollte, sei nicht belegt worden.

Die Kündigung aufgrund der beabsichtigten Betriebsstilllegung sei auch nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt, so das LAG. Die unternehmerische Entscheidung sei vielmehr „sachlich nachvollziehbar“ gewesen, da die Firma die drei Dienstleistungsaufträge verloren habe, die wesentlich die bisherige betriebliche Tätigkeit ausmachten.

Bei einer Beendigungskündigung müsse zwar dem Arbeitnehmer „eine zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Unternehmen“ zugewiesen werden. Da das Unternehmen nur über einen Betrieb verfügte, habe diese Möglichkeit nicht bestanden. Ob es dagegen in der Unternehmensgruppe Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten gebe, sei dabei unerheblich. Der allgemeine Kündigungsschutz sei grundsätzlich nicht konzernbezogen.

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