© Corgarashu - Fotolia.comDas Therapieunterbringungsgesetz, das die Verwahrung psychisch kranker Straftäter nach ihrer regulären Haft regelt, ist verfassungsgemäß. Allerdings ist es verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Unterbringung nur bei einer „hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten“ zulässig ist, heißt es in einem am Donnerstag, 08.08.2013, veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe (AZ: 2 BvR 2302/11 und 2 BvR 1279/12).

Das „Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter“ wurde am 22.12.2010 verabschiedet und trat Anfang 2011 in Kraft. Hintergrund ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zur sogenannten nachträglichen Sicherungsverwahrung.

Die Sicherungsverwahrung kann im Anschluss an die reguläre Haftstrafe verhängt werden, wenn die Gefangenen weiterhin als gefährlich gelten. Seit 2009 wertet der EGMR es aber in ständiger Rechtsprechung als unzulässige „Strafe ohne Gesetz“, wenn die Sicherungsverwahrung erst nachträglich verhängt oder verlängert wird (erstmals Urteil vom 17.12.2009, AZ: 19359/04). Nach längerem Streit beider Gerichte hatte sich 2011 das Bundesverfassungsgericht dem angeschlossen und einen „therapiegerichteten Vollzug“ gefordert (AZ.: 2 BvR 571/10 und 2 BvR 1152/10).

Als Konsequenz mussten mehrere Sicherungsverwahrte freigelassen werden. Um zumindest einen Teil der als gefährlich geltenden Gewalttäter weiter hinter Gittern zu halten, reagierte der Gesetzgeber mit dem Therapieunterbringungsgesetz. Danach können psychisch kranke Häftlinge quasi als Ersatz für die nachträgliche Sicherungsverwahrung in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung untergebracht werden. Voraussetzung ist, dass dies zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist, weil wegen einer psychischen Störung „mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person erheblich beeinträchtigen wird“.

Mit Beschluss vom 23.05.2013 (AZ: V ZB 201/12) hatte schon der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe das Therapieunterbringungsgesetz als rechtmäßig bewertet. Das Bundesverfassungsgericht schloss sich dem nun im Kern an. Gleichzeitig konkretisierte es aber die Voraussetzungen, unter denen das Gesetz überhaupt angewendet werden darf.

Dabei betonten die Karlsruher Richter, dass es hier – wie bei der Sicherungsverwahrung – um einen „schuldunabhängigen präventiven Freiheitsentzug“ geht. Für den „intensiven Eingriff in das Freiheitsgrundrecht“ müssten daher entsprechend hohe Anforderungen gelten. Die Unterbringung sei daher nur dann zulässig, wenn „eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten festgestellt werden kann“.

So begrenzt sei das Therapieunterbringungsgesetz verfassungskonform, befanden die Karlsruher Richter. Insbesondere gewährleiste es auch bessere Unterbringungsbedingungen im Vergleich zur Strafhaft. Auch die Gesetzgebungskompetenz des Bundes sei gegeben.

Der konkreten Verfassungsbeschwerde eines Mannes aus dem Saarland gab das Bundesverfassungsgericht aber statt. Meist unter Einfluss von Alkohol hatte er mehrere Sexual- und andere Gewaltdelikte begangen. Im Anschluss an seine Strafhaft war er zunächst in Sicherungsverwahrung. Unter Verweis auf das Therapieunterbringungsgesetz hatte dann 2011 das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken seine weitere Unterbringung angeordnet.

Das Bundesverfassungsgericht rügte diese Entscheidungen nun als unverhältnismäßig. Das OLG habe die hohen Anforderungen für eine Therapieunterbringung noch nicht berücksichtigt. Der Beschwerdeführer kann nun eine neue Überprüfung verlangen. Gerichte und Behörden müssen dabei dann die nun vom Bundesverfassungsgericht festgelegten hohen Anforderungen berücksichtigen. Ob der Mann danach dann freizulassen ist, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Beschluss vom 11.07.2013 nicht entschieden.

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