Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat Kündigungen in katholischen sozialen Einrichtungen erleichtert. Zwar können nach den kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) der Caritas eigentlich unkündbare Mitarbeiter nur mit der „Auflösung“ der Einrichtung gekündigt werden – an den Begriff der „Einrichtung“ seien aber „keine strengen Anforderungen“ zu stellen, entschied das LAG in einem aktuell veröffentlichten Urteil vom 14.01.2015 (AZ: 12 Sa 684/14). Es reiche aus, dass die Einrichtung aus ihrer fachlichen Organisation heraus selbstständig ist.
Konkret ging es um eine heute 49-jährige Frau, die zuletzt als Küchenleiterin in einem Familienzentrum des Sozialdienstes Katholischer Frauen e. V. beschäftigt war. Für das Arbeitsverhältnis galten die AVR der Caritas. Die AVR sind tarifähnliche Vereinbarungen, die in paritätisch besetzten Kommissionen ausgehandelt werden.
Die Frau war mit einem Grad der Behinderung von 40 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt und damit grundsätzlich unkündbar.
Da die Küche, in der die Frau arbeitete, defizitär war, sollte die 49-Jährige ihre Arbeitszeit reduzieren. Dies lehnte sie jedoch ab. Daraufhin wurde die Schließung der Küche beschlossen. Künftig sollte ein Catering-Unternehmen das Essen für zwei Kindertagesstätten und eine Ganztagsschule bereitstellen. Die Küchenleiterin erhielt die Kündigung, der auch das Integrationsamt zustimmte.
Nach den AVR können eigentlich unkündbare Beschäftigte nur dann entlassen werden, wenn die „Einrichtung“, in der sie arbeiten, aufgelöst wird. Die Frau hielt die Kündigung daher für unwirksam. Die Küche sei nicht als eigenständige „Einrichtung“ anzusehen, sondern gehöre vielmehr zum Familienzentrum. Das Zentrum bestehe aber noch.
Dem folgte das LAG nicht. Die Kündigung sei „sozial gerechtfertigt“ und wegen „dringender betrieblicher Gründe“ zulässig.
Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, „nicht mehr benötigte Arbeitsplätze und Arbeitskräfte weiterhin zu besetzen beziehungsweise zu beschäftigten“. Hier sei der Arbeitskraftbedarf für eine Küchenleitung wegen der beschlossenen Auflösung der Küche vollständig entfallen.
Die Kündigung sei im Hinblick auf die Vorschriften in den AVR auch wirksam. Die Einrichtung – nämlich die Küche – sei aufgelöst worden. Nach den AVR erfasse der Begriff der Einrichtung „alle organisatorischen Einheiten mit karitativer Zielsetzung in kirchlicher Trägerschaft, in denen Mitarbeiter aufgrund von Dienstverträgen tätig sind“, so das LAG.
Der Sozialdienst Katholischer Frauen betreibe mehrere „Einrichtungen“, darunter das Familienzentrum, Kindertagesstätten und eben auch die Küche. Als „Einrichtung“ würden alle denkbaren Organisationseinheiten kirchlicher Träger gelten.
An den Grad der Selbstständigkeit der Organisationsform seien „keine strengen Anforderungen“ zu stellen. Weder sei eine eigene Personalabteilung noch Personalhoheit erforderlich. Es reiche aus, dass die „Einrichtung“ „aus ihrem Zweck und der fachlichen Organisation heraus selbstständig ist“. Hier wurde die Küche mit einer eigenen Leitung eigenständig organisiert und übte einen eigenständigen Zweck bei dem Sozialdienst aus.
Gegen das Urteil hat die Klägerin die zugelassene Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt eingelegt (AZ: 2 AZR 150/15).
Weitere “Kirchen”-Urteile:
Abkehr vom kirchlichen Glauben führt nicht zur Verhängung einer Sperrzeit
Bildnachweis: © Victor Soares – Fotolia.com
Konflikte sind alltäglich. Wichtig ist der richtige Umgang mit ihnen und die Wahl der passenden Konfliktlösungsmethode. Darüber informiert dieses kurze Video:
Sehr geehrte Herr Baufelder,
Danke für Ihre informative Ausführungen.
Kann man im Umkehrschluss durchsetzen, dass in jeder “Einrichtung” (Küche, Finanzbereich, IT, Einkauf, Apotheke, Funktionsbereiche, …) innerhalb einer (kirchlichen) Klinik eine MAV gewählt werden kann?
Freundliche Grüße
Joachim Steffen
Nein, Herr Steffen, so kann man das nicht sehen. Denn hier ging es um den Begriff der “Einrichtung” im Sinne der AVR. Bei der Wahl der MAV geht es aber um den Begriff der Einrichtung im Sinne der MAVO.
Interessante Differenzierung, dass der Einrichtungsbegriff in den §§14-16 AVR etwas anderes bedeuten soll als in §1a MAVO.
Könnte man vor dem Hintergrund der kirchlichen Selbstbestimmung (GG) diesen Gestaltungsspielraum als willkürlich bezeichnen?
> keine Wahl – weil keine Einrichtung, d.h. keine Beteiligungsrechte
> kein Kündigungsschutz, weil doch eine Einrichtung?
Freundliche Grüße
Joachim Steffen
Ich bin kein ausgewiesener Experte bezüglich MAVO, MAV, AVR, etc. Das können andere deutlich besser.
Man muss auch festhalten, dass ab und an die Rechtsprechung auch “ergebnisorientiert” ist.
Wegen so einem widersprüchlichen Ergebnis ging die Sache zum BAG.
Mal gespannt, ob dort auch ergebnisorientiert entschieden wird.
Ich habe gerade beim BAG nach dem Verhandlungstermin gefragt. Die Parteien haben sich verglichen.
Vergleiche sind natürlich schön und können Rechtsfrieden bringen. Ab und an hätte man aber gerne doch eine Entscheidung in der Sache gehabt.
Nunja, auch beim BAG hat man manchmal diesen Eindruck. Ein Professor hat mal in der Vorlesung folgenden Spruch von sich gegeben:
“Sind die Gründe noch so schlecht, das BAG hat immer Recht!”
Der Arbeitgeber war trotz seines Erfolgs beim LAG
von seinem Erfolg wohl nicht überzeugt.
Eine Feststellungsklage auf Wahlzulassung könnte den Sachverhalt klären.
Ich hoffe mal, dass eine starke Gewerkschaft hier aktiv wird.