Schafft ein gemeinnütziger Ausbildungsträger zusätzliche Ausbildungskapazitäten für Lehrlinge mit Ausbildungsschwierigkeiten, darf ausnahmsweise der Lohn unter 80 Prozent des Tariflohns liegen. Werden dagegen Azubis ohne Ausbildungsschwierigkeiten beschäftigt, müssen höhere „angemessene“ Löhne bezahlt werden, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 16.05.2017 (AZ: 9 AZR 377/16). Die Erfurter Richter sprachen damit einem Azubi einen Lohnnachschlag in Höhe von 11.762,00 € zu.

Der Azubi hatte sich im Dezember 2009 nach seinem Realschulabschluss in einem Betrieb für einen Ausbildungsplatz als Industriemechaniker beworben. Nach einem dort durchgeführten Bewerbungsgespräch erhielt der junge Mann die Lehrstelle. Allerdings lief der Ausbildungsvertrag über einen gemeinnützigen, nicht tarifgebundenen Ausbildungsträger, der Jugendliche mit Ausbildungsschwierigkeiten fördern und für sie neue Ausbildungskapazitäten schaffen wollte.

Für den Zeitraum 01.08.2010 bis zum 31.12.2012 hatte er eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 12.800,00 € erhalten; das entspricht nur 441,00 € pro Monat. Nach den Tarifverträgen für die Metall- und Elektroindustrie in Thüringen hätten ihm 24.562,00 € zugestanden.

Der Auszubildende hielt die gezahlte Vergütung für viel zu niedrig und verlangte eine Vergütung in Höhe des Tariflohns. Er habe gar keine Ausbildungs- und Vermittlungsschwierigkeiten gehabt, so dass ihm eine angemessene Vergütung und damit ein Lohnnachschlag in Höhe von 11.762,00 € zustehe.

Das BAG gab dem Azubi recht. Ihm stehe ein höherer Lohn zu. Azubis hätten nach dem Berufsbildungsgesetz Anspruch auf eine „angemessene Vergütung“. Grundsätzlich dienten die einschlägigen Tarifverträge als Orientierung für eine angemessene Vergütung, so die Arbeitsrichter mit Verweis auf eine frühere Entscheidung vom 29.04.2015 (AZ: 9 AZR 108/14). Bei nicht tarifgebundenen Betrieben dürfe die Ausbildungsvergütung 80 Prozent des Tariflohns nicht unterschreiten.

Für gemeinnützige Ausbildungsträger, die Azubis mit Ausbildungsschwierigkeiten fördern und für sie neue Ausbildungskapazitäten schaffen wollen, gebe es zwar aus „gesamtgesellschaftlichem Interesse“ Ausnahmen. Hier dürften die Vergütungen ausnahmsweise auch unter 80 Prozent des Tariflohns liegen.

Der Berufsausbildungsvertrag müsse aber „einen inneren Zusammenhang“ zu dem Vereinszweck aufweisen, forderte das BAG. Sprich: Der gemeinnützige Ausbildungsträger muss dem konkreten Auszubildenden eine qualifizierte Ausbildung ermöglichen, „die ihm anderenfalls verschlossen geblieben wäre“.

Hier habe der Kläger aber keine Ausbildungsschwierigkeiten gehabt. Er hätte ohne Weiteres auch woanders einen Ausbildungsplatz erhalten können. Eine Rechtfertigung dafür, dass der Ausbildungsträger nur etwa 50 Prozent der tariflichen Ausbildungsvergütung gezahlt hat, gebe es daher nicht.

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