LAG Stuttgart: Sachgrundlos befristete Beschäftigung war unwirksam

Arbeitgeber dürfen sich in einem ohne sachlichen Grund befristeten Arbeitsvertrag nicht vom Arbeitnehmer bestätigen lassen, dass keinerlei Vorbeschäftigungen in dem Betrieb bestehen. Denn vor dem Hintergrund der Zulässigkeit einer sachgrundlosen Befristung soll dies die Beweislast zum Nachteil des Arbeitnehmers ändern, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in einem am Dienstag, 28.04.2020, veröffentlichten Urteil (AZ: 4 Sa 44/19). Eine solche Klausel ist danach unwirksam. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt wurde zugelassen.

Im Streitfall bestätigten die Stuttgarter Richter, dass die Befristung im Arbeitsvertrag der Klägerin unwirksam ist und sie daher Anspruch auf eine unbefristete Beschäftigung hat – auch wenn die Vorbeschäftigung bereits 15 Jahre zurücklag und nur knapp fünf Monate dauerte.

Das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (kurz: TzBfG) schreibt vor, dass befristete Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund höchstens dreimal verlängert werden dürfen, und dies nur für einen Gesamtzeitraum der Befristungen von höchstens zwei Jahren (§ 14 Abs. 2 TzBfG). Bei einer Neueinstellung ist eine sachgrundlose Befristung unwirksam, wenn der Arbeitnehmer bei demselben Arbeitgeber „bereits zuvor“ befristet beschäftigt war.

Das Gesetz räumt den Tarifvertragsparteien aber das Recht ein, abweichende Regelungen zu treffen. Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt vom 26.10.2016 dürfen Tarifverträge danach bis zu neun Kettenbefristungen auch ohne konkreten sachlichen Grund bis zu einer Gesamtdauer von sechs Jahren vorsehen (AZ: 7 AZR 140/15).

Im vom LAG entschiedenen Streitfall ging es um eine Frau, die früher ab dem 06.04.1999 für knapp elf Monate ohne sachlichen Grund befristet als Montagearbeiterin angestellt war. Wegen Kindererziehungszeiten schied sie aber bereits zum 31.08.1999 aus dem Betrieb aus.

Als sie 2014 sich erneut bei dem Unternehmen bewarb und zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, enthielt ihr Lebenslauf keinerlei Angabe über ihre Vorbeschäftigung bei dem Arbeitgeber. Allerdings kreuzte sie im Personalbogen ein Kästchen an, wonach eine Vorbeschäftigung bejaht wurde. Sie unterschrieb einen erneut ohne sachlichen Grund befristeten Arbeitsvertrag. Der von der Frau unterschriebene Vertrag enthielt die Klausel: „Sie bestätigen, bisher in keinem befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis (einschließlich Ferienbeschäftigung) zu uns gestanden zu haben“.

Der Arbeitsvertrag wurde entsprechend der tariflichen Möglichkeiten innerhalb eines Zeitraums von knapp vier Jahren sechsmal verlängert. Als die Frau aus dem Job ausscheiden sollte, klagte sie auf eine unbefristete Beschäftigung. Sie führte an, dass sie bereits ab 06.04.1999 für knapp fünf Monate in dem Unternehmen ohne sachlichen Grund befristet angestellt war. Damit habe ihr Arbeitgeber sie nicht – wie nach dem Tarifvertrag erlaubt – sechsmal sondern siebenmal ohne sachlichen Grund befristet beschäftigt. Die letzte Befristung sei damit unwirksam, so dass sie Anspruch auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis habe.

Der Arbeitgeber verwies darauf, dass die Frau in ihrem Lebenslauf die Vorbeschäftigung gar nicht angegeben hatte. Auch habe sie mit dem Arbeitsvertrag bestätigt, dass keine Vorbeschäftigung in dem Unternehmen vorgelegen habe.

LAG entscheidet zugunsten der Klägerin

Doch das LAG urteilte am 11.03.2020, dass die Klägerin wegen der unwirksamen letzten Befristung nun Anspruch auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis habe. Zwar habe die Frau im Arbeitsvertrag bestätigt, dass keine Vorbeschäftigung vorgelegen habe. Auf die entsprechende Klausel könne sich der Arbeitgeber aber nicht berufen. Solch eine Klausel sei unwirksam und habe in einem Arbeitsvertrag nichts zu suchen. Denn mit der vertraglichen Bestätigung bestimmter Tatsachen solle die Beweislast – hier zum Nachteil der Arbeitnehmerin – geändert werden. Dies sei nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch nicht erlaubt.

Dass die Klägerin in ihrem Lebenslauf hinsichtlich ihrer Vorbeschäftigung eine Lücke aufwies, könne ihr nicht angelastet werden. Der Arbeitgeber hätte hier genauer nachfragen können, zumal im Personalbogen die Vorbeschäftigung gekennzeichnet wurde. Auch hätte der Arbeitgeber eine frühere Beschäftigung der Klägerin im eigenen System überprüfen können.

Zwar habe die befristete Vorbeschäftigung rund 15 Jahre zurückgelegen. Doch nur, wenn die Vorbeschäftigung „sehr lange“ zurückliegt, spiele dies für die erneute Befristung eines Arbeitsverhältnisses eine Rolle. Dieser „sehr lange“ Zeitraum sei hier noch nicht erreicht.

So habe das BAG am 23.01.2019 und am 17.04.2019 geurteilt, dass Beschäftigungspausen von acht beziehungsweise 15 Jahren noch nicht „sehr lang“ seien (AZ: 7 AZR 733/16 und 7 AZR 323/17). Bei einem Zwischenzeitraum von 22 Jahren könne ein Arbeitgeber aber wieder erneut jemanden problemlos sachgrundlos befristen (AZ: 7 AZR 452/17; Urteil vom 21.08.2019).

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