LAG Köln: Telefonsex-Dienstleisterinnen sind Arbeitnehmerinnen

Freiberuflerinnen werden üblich nicht von einer Videokamera des Auftraggebers überwacht. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln in zwei am Montag, 31.08.2020, bekanntgegebenen Beschlüssen zu Telefonsex-Dienstleisterinnen betont (AZ: 9 Ta 217/19 und 9 Ta 98/20). Bei den Klägerinnen verweise die „einseitige Steuerung und Kontrolle der Betriebsabläufe“ auf den Status von Arbeitnehmerinnen.

Das beklagte Unternehmen bietet täglich und rund um die Uhr Telefonsex an. In den Geschäftsräumen in Köln bekommen die Telefonistinnen jeweils einen kleinen Raum mit Stuhl, Tisch, Computer und Telefonen; dafür zahlen sie 50,00 € im Monat. In den Dienstplan können sie sich selbst nach Wunsch eintragen. Aus einem vorgegebenen Pool wählen sie sich dann einen Alias-Namen und ein Foto aus, die dann auf der Internetseite des Unternehmens veröffentlicht werden. Für ihr „dienstliches Verhalten“ bekamen die Frauen zahlreiche Vorgaben. Die Sex-Telefonate wurden aufgezeichnet und einzeln vergütet, an der Zimmerdecke lief eine Videokamera.

Das Telefonsex-Unternehmen führt die Frauen als Freiberuflerinnen. Die Klägerinnen wehrten sich gegen Strafzahlungen für Verstöße gegen die Verhaltensregeln. Zudem fordern sie Geld für bislang nicht vergütete Telefonate und Erstattung der von ihnen monatlich gezahlten 50,00 €.

Zuständigkeit des Landgerichts nicht begründet

Wegen des vermeintlich freiberuflichen Status’ wollte das Arbeitsgericht Köln die Klagen an das Landgericht verweisen. Das LAG stellte nun jedoch klar, dass die Frauen nicht freiberuflich, sondern als Arbeitnehmerinnen beschäftigt sind. Damit ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet, und die Klägerinnen können sich grundsätzlich auf die gesetzlichen Arbeitnehmerrechte berufen.

Zur Begründung verwies das LAG auf die Audio- und Videoüberwachung. Zudem seien die Frauen eng in die Arbeitsorganisation des Unternehmens eingebunden. Durch die ständig wechselnden Alias-Profile habe die Firma zudem „eine für selbstständige Freiberuflerinnen wichtige Marktpräsenz verhindert“. Einen eigenen Kundenstamm hätten sich die Frauen nicht aufbauen können.

Diese „Fremdbestimmung“ überwiege gegenüber Umständen, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen könnten, etwa die Raummiete und die eigenen Einträge in die Dienstpläne, so das LAG in seinen Beschlüssen vom 25.08.2020.

Über die sich daraus ergebenden Ansprüche der Klägerinnen muss nun wieder das Arbeitsgericht Köln entscheiden.

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