BAG vermisst ausreichende Schlagkraft der Gewerkschaft

Die im Christlichen Gewerkschaftsbund organisierte „DHV – Die Berufsgewerkschaft e. V.“ darf keine Tarifverträge abschließen. Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt mit Beschluss vom Dienstag, 22.06.2021, entschied, ist die DHV seit dem 21.04.2015 wegen einer zu geringen Schlagkraft nicht tariffähig (AZ: 1 ABR 28/20). Damit sind alle mit der DHV seitdem geschlossenen Tarifverträge nichtig, so dass nun weitere Rechtsstreitigkeiten um die „richtige“ Lohnhöhe der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer drohen.

Die DHV ist Mitglied des Christlichen Gewerkschaftsbundes, der allerdings nichts mit den beiden großen Kirchen zu tun hat. Der Schwerpunkt ihres Organisationsbereichs erstreckt sich unter anderem auf die Tarifzuständigkeit im Bereich Handel, Banken und Versicherungen, aber auch auf Rettungsdienste, die Arbeiterwohlfahrt und das Deutsche Rote Kreuz. Dabei hat die DHV mit Arbeitgebern zahlreiche Tarifverträge abgeschlossen.

Laut Gesetz können Verbände allerdings nur dann wirksam Tarifverträge abschließen, wenn sie hierfür ausreichend mächtig und organisatorisch leistungsfähig sind.

Die Antragsteller, darunter mehrere DGB-Gewerkschaften wie Verdi und die IG Metall, sowie die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Berlin, wollten die Tariffähigkeit der DHV gerichtlich überprüfen lassen. Die DHV habe höchstens 10.000 Mitglieder, so die antragstellenden DGB-Gewerkschaften. Dies sei viel zu wenig, um in den einzelnen Organisationsbereichen schlagkräftig Tarifverträge im Interesse der Beschäftigten durchsetzen zu können.

Die DHV verwies auf ihre langjährige Teilnahme am Tarifgeschehen, so dass eine Tariffähigkeit bestehe.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg hatte der DHV die Tariffähigkeit zunächst noch bescheinigt (AZ: 5 TaBV 8/15). Es war dabei davon ausgegangen, dass der Mindestlohn und das Tarifeinheitsgesetz zu geringeren Anforderungen an die Schlagkraft einer tariffähigen Gewerkschaft geführt haben.

BAG entscheidet gege die DHV

Dem hatte das BAG mit Beschluss vom 26.06.2018 widersprochen (AZ: 1 ABR 37/16).

Das daraufhin erneut mit dem Fall befasste LAG entschied nun, dass die DHV auf der Grundlage ihrer letzten Satzung seit dem 21.04.2015 nicht tariffähig ist.

Die dagegen eingelegte Beschwerde hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Die DHV habe nach eigenen Angaben knapp 67.000 Mitglieder und damit einen Organisationsgrad von nur etwa einem Prozent, so die Erfurter Richter. Dabei schwanke der Organisationsgrad zwischen 0,3 Prozent für kaufmännische und verwaltende Berufe und 2,4 Prozent für das Versicherungsgewerbe.

Dies reiche aber für eine ausreichend mächtige und leistungsstarke Gewerkschaft nicht aus, um Tarifverträge im Interesse der Beschäftigten abschließen zu können. Die Gewerkschaft verfüge nicht „über die notwendige mitgliedervermittelte Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den sozialen Gegenspielern“. Allein ihre bisherige Teilnahme am Tarifgeschehen sage nichts über ihre soziale Mächtigkeit aus.

Als Folge der BAG-Entscheidung sind alle seit dem 21.04.2015 mit der DHV geschlossenen Tarifverträge nichtig. Beschäftigte – aber auch Arbeitgeber – können sich nicht mehr auf die im DHV-Tarifvertrag vereinbarten Löhne berufen.

Damit sind weitere Rechtsstreitigkeiten absehbar. Welcher Lohn nun gegebenenfalls rückwirkend beansprucht werden kann, hängt vom jeweiligen Arbeitsvertrag oder der sonst ortsüblichen Vergütung sowie von Ausschluss- und Verjährungsfristen ab. Von den Arbeitgebern könnten bei Lohnnachschlägen auch Sozialversicherungsträger Beiträge nachfordern.

 

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