LAG Hannover: Individuelle Merkmale weisen auf Glaubwürdigkeit hin

Detaillierte und gänzlich übereinstimmende Zeugenaussagen zur Übergabe eines Kündigungsschreibens ohne Darstellung der emotionalen Reaktion der Gekündigten sind wenig glaubhaft. Ein Arbeitgeber kann den rechtzeitigen Zugang des Kündigungsschreibens auf diese Weise nicht beweisen, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen in Hannover in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 26.05.2025 (AZ: 4 Sla 442/24).

Geklagt hatte eine seit dem 29.08.2023 als Bürokraft angestellte Frau. Laut Arbeitsvertrag galt eine sechsmonatige Probezeit, innerhalb derer das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden kann.

Als die Arbeitnehmerin vom 17.10.2023 bis zum 23.10.2023 arbeitsunfähig erkrankte, wurde ihr nach Angaben des Arbeitgebers einen Tag später die Kündigung überreicht. Die Kündigung sollte zum 08.11.2023 greifen. Am 25.10.2023 meldete sich die Frau wieder krank. Vor Gericht bestritt die Bürokraft, die Kündigung erhalten zu haben.

Der Geschäftsführer des Unternehmens gab an, ihr die schriftliche Kündigung unter Anwesenheit von drei Zeugen übergeben zu haben.

Nachdem die Frau sich geweigert habe, das Schreiben anzunehmen und den Empfang zu bestätigen, sei ihr die Kündigung auf ihren Schreibtisch gelegt worden.

Das Arbeitsgericht Hannover hörte die drei benannten Kollegen der Frau als Zeugen an und urteilte, dass der Zugang des Kündigungsschreibens anhand der Aussagen nicht glaubhaft belegt werden konnte und die Kündigung unwirksam sei.

Klägerin gewinnt auch die 2. Instanz

Dem folgte nun auch das LAG. Eine erneute Zeugenanhörung und Beweisaufnahme sei nicht erforderlich, da das Arbeitsgericht diese erschöpfend und die fehlende Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen korrekt beurteilt habe. Zu Recht habe dieses bei der Beurteilung der Zeugenaussagen die Erkenntnisse der Aussagepsychologie herangezogen.

Diese seien nicht nur auf strafrechtliche Verfahren beschränkt, sondern seien auch im Arbeitsgerichtsverfahren zu beachten.

Danach müsse die Glaubhaftigkeit einer Aussage positiv begründet werden. Damit einher gehe eine Inhaltsanalyse und der Bestimmung sogenannter Realkennzeichen, also Merkmale, die auf das tatsächlich Erlebte hinweisen.

Hier hätten die Zeugen einerseits detailliert und übereinstimmend beschrieben, wer bei der versuchten Übergabe des Kündigungsschreibens wo gestanden hat, so das LAG. Andererseits beschrieb keiner der Zeugen „anschaulich und lebensnah eine etwaige emotionale Reaktion oder ein Verhalten der Klägerin“ auf diese nicht alltägliche Situation – zumal mit dem Geschäftsführer insgesamt vier Personen im Büro anwesend gewesen seien. Dies spreche für eine abgesprochene Aussage.

Individuell unterschiedliche Wahrnehmungen der Zeugen seien nicht deutlich geworden.

Zwar habe der Arbeitgeber auch ein Foto einer Überwachungskamera vorgelegt, worauf zu sehen sein soll, wie der Geschäftsführer mit dem Kündigungsschreiben auf die Klägerin zugeht. Weder sei aber der Zeitpunkt der Aufnahme noch der Inhalt des Blattes, welches der Geschäftsführer in den Händen hält, klar.

 

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