© detailblick - Fotolia.comSchwangere Frauen aus anderen EU-Staaten dürfen in Deutschland nicht generell und dauerhaft von Hartz-IV-Leistungen ausgeschlossen werden. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am Mittwoch, 30.01.2013, verkündeten Urteil entschieden (AZ: B 4 AS 54/12 R).

Nach den gesetzlichen Bestimmungen erhalten EU-Bürger und ihre Familienangehörigen in den ersten drei Monaten ihres Aufenthaltes generell kein Arbeitslosengeld II. Auch für die Zeit danach besteht kein Hilfeanspruch, wenn EU-Bürger sich in Deutschland allein nur zum Zwecke der Arbeitssuche aufhalten. Haben Betroffene dagegen einmal eine Arbeit gefunden, kann dagegen bei einer späteren Arbeitslosigkeit ein Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen bestehen.

Im konkreten Fall hatte eine in Stuttgart lebende Bulgarin geklagt. Sie war im Sommer 2009 nach Deutschland gereist und hatte schwarz als Kellnerin gearbeitet. Als sie im Januar 2010 schwanger wurden, verlor sie ihren Job. Beim Jobcenter Stuttgart beantragte sie schließlich Hartz-IV-Leistungen. Sie wisse sonst nicht, wovon sie leben könne.

Der Vater ihres Kindes sei ihr griechischer Lebensgefährte, der sie ebenfalls nicht unterstützen könne. Ihr Partner verfügte aber über ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht, so dass das Kind ab Geburt Anspruch auf die deutsche Staatsangehörigkeit hat.

Das Jobcenter ließ die Frau jedoch im Regen stehen und lehnte jede Hilfeleistung ab. Die Bulgarin habe sich allein zum Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland aufgehalten. Eine rechtmäßige Arbeit habe sie bislang nicht gehabt. Daher stehe ihr auch kein Arbeitslosengeld II zu. Zwar erhielten Familienangehörige eines deutschen Kindes ein Aufenthaltsrecht, verbunden mit einem Hartz-IV-Anspruch, so das Jobcenter. Zum Zeitpunkt der Antragstellung habe jedoch noch kein Verwandtschaftsverhältnis der Mutter zum Fötus bestanden. Rechtlich bestehe ein Verwandtschaftsverhältnis erst ab der Geburt.

Rolf Gutmann, Anwalt der Klägerin, rügte, dass die betroffenen schwangeren Frauen damit ohne jegliche Hilfeleistungen dastünden. Dabei müsse auch ihnen das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährt werden.

Der 4. Senat des BSG gab schließlich der Klägerin recht. Die Frau habe sich seit über einem Jahr in Deutschland aufgehalten und sei nicht neu eingereist; die dreimonatige Sperre für zugezogene EU-Bürger greife daher nicht mehr.

Es könne zudem davon ausgegangen werden, dass die schwangere Frau mit ihrem Lebensgefährten eine Familie gründen wollte. Damit habe sich die Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht allein zur Arbeitssuche in Deutschland aufgehalten. Nach dem Grundgesetz stehe die Familie jedoch unter besonderen Schutz.

Es sei der schwangeren Klägerin nicht zumutbar gewesen, sich von dem Vater des Kindes zu trennen und Deutschland wieder zu verlassen, so das BSG. Das Jobcenter sei daher zur Hilfeleistung verpflichtet.

Nicht entschieden hatten die Kasseler Richter, ob es mit EU-Recht vereinbar ist, dass in Deutschland lebende EU-Bürger unter bestimmten Voraussetzungen von Hartz-IV-Leistungen ausgeschlossen werden dürfen.

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