teracreonteBezeichnet ein Anwalt eine Staatsanwältin als „durchgeknallte Staatsanwältin“ und „widerwärtige, boshafte dümmliche Staatsanwältin“, stellt dies zwar eine Beleidigung aber nicht sofort eine unzulässige Schmähkritik dar. Geht ein Gericht von einer Schmähkritik aus, muss es dies auch genau begründen, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Dienstag, 02.08.2016, veröffentlichten Beschluss (AZ: 1 BvR 2646/15).

Hintergrund des Rechtsstreits war ein Ermittlungs- und Strafverfahren gegen den Vorsitzenden des Berliner Frauenhilfsverein „Hatun und Can“, der zwangsverheirateten Frauen Unterstützung geben will. Der Vereinsvorsitzende musste sich wegen der Veruntreuung von Spendengeldern rechtfertigen.

Als gegen den Mann Haftbefehl erlassen wurde, war sein Strafverteidiger besonders verärgert. Dies zeigte sich in einem Telefonat mit einem Journalisten. Darin bezeichnete der Anwalt die zuständige Staatsanwältin als „dahergelaufene Staatsanwältin“, „durchgeknallte Staatsanwältin“, „widerwärtige, boshafte, dümmliche Staatsanwältin“ und „geisteskranke Staatsanwältin“.

Diese wollte das nicht auf sich sitzenlassen. Es folgte die Anzeige wegen Beleidigung. Das Landgericht Berlin verurteilte den Anwalt schließlich zu einer Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen zu je 120,00 €, insgesamt 8.400,00 €. Die Äußerungen stellten eine unzulässige Schmähkritik dar, so die Begründung. Der Staatsanwältin werde damit attestiert, dass sie grundsätzlich sozial minderwertig und beruflich unzulänglich sei. Die Schmähkritik sei Ausdruck einer persönlichen Fehde gegen die ermittelnde Staatsanwältin, die einer haltlosen Verteufelung gleichkomme.

In seinem Beschluss vom 29.06.2016 hob das Bundesverfassungsgericht das Urteil jedoch auf. Das Landgericht habe nicht genau dargelegt, warum die Äußerungen als Schmähkritik einzustufen seien. Die Anforderungen für eine Schmähkritik seien besonders streng, so die Karlsruher Richter. Grund: Anders als sonst bei Beleidigungen müsse bei der Schmähkritik keine Abwägung mit der Meinungsfreiheit stattfinden. Die Meinungsfreiheit trete dann regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurück.

Hier hätte das Landgericht genauer begründen müssen, inwieweit die Äußerung von dem Ermittlungsverfahren völlig losgelöst waren und es nur um die persönliche Diffamierung der Staatsanwältin ging. Das Landgericht müsse daher nun die Beleidigung neu prüfen und mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung abwägen.

Der Vorsitzende des Vereins Hatun & Can“ wurde 2011 vom Landgericht Berlin zu vier Jahren und zehn Monaten Haft wegen der Veruntreuung von rund 700.000,00 € an Spendengeldern verurteilt. Unter anderem hatte die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer dem Verein 500.000,00 € aus ihrem Gewinn der Fernsehshow „Wer wird Millionär“ gespendet.

Bereits am 12.05.2009 hatte das Bundesverfassungsgericht in einem vergleichbaren Beleidigungsfall entschieden, dass die Bezeichnung „durchgeknallter Staatsanwalt“ in einem Strafverfahren als Meinungsäußerung gelten kann (AZ: 1 BvR 2272/04). Hier hatte es sich um eine spontane Äußerung gehandelt.

Im Verfahren um die ehemalige CSU-Politikerin Gabriele Pauli, die in einer Kolumne auf bild-online ebenfalls als „durchgeknallte Frau“ bezeichnet wurde, stellte das Bundesverfassungsgericht am 11.12.2013 fest, dass der Begriff in der Kolumne „ehrverletzend“ und beleidigend sei (AZ: 1 BvR 194/f13). Die Äußerung sei nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Es habe sich um einen „bewusst geschriebenen und als Verletzung gewollten Text“ gehandelt. Die Worte „durchgeknallte Frau“ hätten keinerlei Anknüpfungspunkt in dem Verhalten Paulis.

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