Unterhält sich ein an einer Schule angestellter Erzieher mit einer Schülerin über einen längeren Zeitraum per WhatsApp sexuell anzüglich über ihre knappe Bekleidung, begründet dies grundsätzlich die fristlose Kündigung. Denn Lehrkräfte müssen jeglichen Anschein „sexuell motivierten Verhaltens“ gegenüber den anvertrauten Kindern und den damit zwangsläufig hervorgerufenen Ängsten bei den Eltern vermeiden, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in einem am Montag, 07.08.2017, veröffentlichten Urteil (AZ: 1 Sa 521/16).

Der Sachverhalt

Damit ist der Kläger, der seit knapp 27 Jahren als Heimerzieher/Erziehertrainer in einem Gymnasium tätig ist, seine Arbeitsstelle los. Bei der Einrichtung handelt es sich um eine „Eliteschule des Sports“ mit angeschlossenem Internat, bei dem besonders talentierte Schüler eine leistungsorientierte Ausbildung erhalten sollen. Der Erzieher gab den Schülern unter anderem Tennis-Unterricht.

Zu den von ihm betreuten Jugendlichen gehörte auch eine Schülerin, mit der er sich in seiner Freizeit über ein halbes Jahr lang per WhatsApp Nachrichten schrieb und auch Fotos austauschte. Dabei hielt er nicht die notwendige Distanz zu der damals 16-Jährigen ein.

Er tauschte insbesondere Nachrichten über knappe Bekleidung aus, die doch die Schülerin tragen solle. So schrieb er: „Lederoutfit? In Profil? Chic, Steht Dir bestimmt, Denkbar? Mit was drunter? Unsicher oder sauer? Schon mal so was gehabt? String Strapse Strümpfe … Ok, ausprobieren?“ Zusätzlich übermittelte der Erzieher Fotos, die überwiegend Models in äußerst knappen, aufreizenden Lederkleidern zeigen. Mehrfach forderte er die 16-Jährige auf, die WhatsApp-Nachrichten zu löschen und Stillschweigen über den Chat zu bewahren.

Doch die Mutter des Mädchens kam dahinter und informierte die Schulleitung.

Fristlose Kündigung war die Folge

Nachdem das Land den Bezirkspersonalrat eingeschaltet hatte, erhielt der Erzieher die fristlose Kündigung. Der Erzieher habe nicht nur die notwendige Distanz zu der Schülerin vermissen lassen, „sondern durch sein ausweislich des Chat-Verlaufs aufdringliches, offensichtlich sexuell motiviertes Verhalten in schwerwiegender Weise gegen seine Pflichten als Erzieher/Trainer verstoßen“.

Der Erzieher hielt die fristlose Kündigung für unverhältnismäßig. Ein wegen des Chats veranlasstes Strafverfahren sei eingestellt worden. Er sei seit fast 27 Jahren ohne jegliche Beanstandungen als Erzieher tätig. Außerdem sei die Schülerin sowieso sehr offenherzig gewesen. So habe sie sich vor der Schule in Unterwäsche fotografieren lassen und habe die Fotos selbst im Internet veröffentlicht. Schließlich sei das Verhältnis eines Trainers zu einem Sportler ohnehin „erheblich enger“ als jenes einer Lehrer-Schüler-Situation. Von einer Distanzlosigkeit könne daher keine Rede sein.

Die Entscheidung des Gerichts: für Erzieher gelten strenge Maßstäbe

Dies sah das LAG in seinem Urteil vom 12.05.2017 jedoch anders. Die fristlose Kündigung sei wirksam. Als Heimerzieher und Erziehertrainer sei der Kläger in den pädagogischen Auftrag der Schule eingebunden gewesen. Dazu gehöre auch, dass Lehrkräfte in ihrer Freizeit zu ihren Schülern ein angemessenes Verhältnis von Nähe und Distanz wahren. Dies gelte ganz besonders im sensiblen Bereich der sexuellen Selbstbestimmung.

„Jeglicher Anschein sexuell motivierten Verhaltens gegenüber den einer Lehrkraft anvertrauten Kindern muss zwangsläufig Ängste bei den betroffenen Eltern und den Kindern hervorrufen, die strikt zu vermeiden sind“, so das LAG. Die Intimsphäre der Kinder müsse uneingeschränkt gewahrt werden.

Hier habe der Erzieher das Obhuts- und Abhängigkeitsverhältnis gegenüber der Schülerin ausgenutzt. Dem Kläger sei dies auch bewusst gewesen, da er die Schülerin aufforderte, den Chat-Inhalt zu löschen und Stillschweigen darüber zu wahren. Er habe von sich aus – sogar nachts – Chat-Nachrichten an die Schülerin versandt.

Die Argumente, dass die Schülerin eh sehr offenherzig sei und er wegen seiner Tätigkeit als Tennislehrer ein besonders enges Näheverhältnis hat, sprächen nicht für, sondern gegen den Kläger, urteilte das LAG. Gerade bei offenherzigen Schülern dürfe dies nicht noch gefördert werden; bei einer besonderen Nähe gewinne die Pflicht zur Distanzwahrung besondere Bedeutung.

Der Pflichtverstoß des Erziehers wiege hier so schwer, dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist. Eine vorherige Abmahnung sei entbehrlich gewesen.

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