Öffentliche Arbeitgeber müssen auch bei internen Stellenausschreibungen schwerbehinderte Bewerber grundsätzlich immer zum Bewerbungsgespräch einladen. Dies gilt selbst dann, wenn der Schwerbehinderte sich um mehrere Stellen mit identischem Anforderungsprofil bewirbt, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg in einem am Dienstag, 12.02.2019, bekanntgegebenen Urteil (AZ: 21 Sa 1643/17). Ein einziges Vorstellungsgespräch sei nur dann ausreichend, wenn das Auswahlverfahren identisch ist, sich die Auswahlkommission sich aus denselben Personen zusammensetzt und zwischen den jeweiligen Auswahlentscheidungen nur wenige Wochen liegen, urteilten die Berliner Richter.

Im konkreten Fall hatte sich der schwerbehinderte Kläger auf zwei intern ausgeschriebene Stellen der Bundesagentur für Arbeit mit identischem Anforderungsprofil beworben. Eine Stelle war in Berlin zu besetzen, eine in Cottbus.

Die Behörde lud den Kläger für die Stelle in Berlin zum Vorstellungsgespräch. Für Cottbus erhielt er keine Einladung.

Als der schwerbehinderte Mann für beide Stellen eine Absage erhielt, verlangte er eine Diskriminierungsentschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Als öffentlicher Arbeitgeber sei die Bundesagentur verpflichtet gewesen, ihn für jede zu besetzende Stelle zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Dies gelte auch für intern ausgeschriebene Stellen mit demselben Anforderungsprofil.

Dem folgte auch das LAG in seinem Urteil vom 01.11.2018. Durch die unterbliebene Einladung für die Cottbuser Stelle sei der Kläger wegen seiner Behinderung benachteiligt worden. Ihm stehe daher eine Diskriminierungsentschädigung zu. Entschließe sich ein öffentlicher Arbeitgeber zur Durchführung von Auswahlgesprächen, müssten geeignete schwerbehinderte Bewerber immer eingeladen werden, auch wenn die Stelle nur intern ausgeschrieben wurde.

Denn die Pflicht zur Einladung diene dazu, dass schwerbehinderte Menschen gleiche Bewerbungschancen erhalten sollen. Bei Mehrfachbewerbungen um Stellen mit identischem Anforderungsprofil müsse grundsätzlich für jede Bewerbung ein Auswahlgespräch geführt werden. Ausnahme: Das Auswahlverfahren und die Personen der Auswahlkommission sind identisch, und zwischen den jeweiligen Auswahlentscheidungen liegen nur wenige Wochen.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das LAG die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt zugelassen.

Bereits am 24.01.2013 hatte das BAG entschieden, dass öffentliche Arbeitgeber sämtliche schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen, wenn diese vom Anforderungsprofil her für die Stelle infrage kommen (AZ: 8 AZR 188/12). Diese Pflicht gelte auch bei sehr vielen behinderten Bewerbern. Das Gesetz gebe „dem einzelnen schwerbehinderten Bewerber einen Individualanspruch auf Einladung zu einem Vorstellungsgespräch“. Der Gesetzgeber habe so schwerbehinderten Bewerbern im Wettbewerb mit nicht behinderten Bewerbern eine Chance geben wollen.

Die Pflicht öffentlicher Arbeitgeber zur Einladung zum Bewerbungsgespräch gilt nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vom 09.09.2015 auch dann, wenn der schwerbehinderte, fachlich geeignete Bewerber einen schriftlichen Eignungstest nicht bestanden hat (AZ: 3 Sa 36/15).

Handelt es sich dagegen um eine ausgeschriebene Stelle nur für behinderte Menschen, besteht nach einem Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 02.08.2016 keine Verpflichtung zur Einladung aller geeigneten schwerbehinderten Stellenbewerber (AZ: 5 Ca 86/16). Das Indiz einer Benachteiligung wegen der Behinderung greife nicht, wenn vorzugsweise behinderte Bewerber eingestellt werden sollen, so die Ulmer Richter im Streit um die Besetzung der Stelle eines kommunalen Behindertenbeauftragten.

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