Die Befristung eines Arbeitsvertrags ohne sachlichen Grund ist auch bei einer früheren Beschäftigung vor 22 Jahren bei demselben Arbeitgeber wirksam. Das gesetzliche Verbot, das Arbeitnehmer nicht ohne sachlichen Grund befristet eingestellt werden dürfen, wenn sie bereits zuvor befristet bei demselben Arbeitgeber tätig waren, greift nach so langer Zeit regelmäßig nicht mehr, urteilte am Mittwoch, 21.08.2019, das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt (AZ: 7 AZR 452/17).

Das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge schreibt vor, dass befristete Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund höchstens dreimal hintereinander verlängert werden dürfen, und dies nur für einen Gesamtzeitraum der Befristung von höchstens zwei Jahren. Eine erneute sachgrundlose Befristung ist unwirksam, wenn der Arbeitnehmer bei demselben Arbeitgeber „bereits zuvor“ befristet beschäftigt war.

Was genau unter „bereits zuvor“ zu verstehen ist, war in der Rechtsprechung über Jahre im Streit. So hatte das BAG am 07.04.2011 entschieden, dass für eine erneute sachgrundlose Befristung bei demselben Arbeitgeber eine Pause von mehr als drei Jahren liegen muss (AZ: 7 AZR 716/09). Das gesetzliche Vorbeschäftigungsverbot dürfe nicht dazu führen, dass Beschäftigte gar nicht mehr befristet eingestellt werden können.

Doch das Bundesverfassungsgericht hatte am 06.06.2018 diese Dreijahresfrist wieder gekippt (AZ: 1 BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14). Denn der Gesetzgeber habe Arbeitnehmer vor wiederholten Befristungen generell schützen wollen. Danach sei eine sachgrundlose Befristung „grundsätzlich nur einmal und nur bei der erstmaligen Einstellung zulässig“.

Die Verfassungsrichter verwiesen jedoch auch auf Ausnahmen. Liege das vorhergehende Arbeitsverhältnis sehr lange zurück oder sei dieses ganz andersgeartet oder von sehr kurzer Dauer gewesen, sei eine sachgrundlose Befristung bei demselben Arbeitgeber zulässig. Andernfalls werde die Berufsfreiheit verletzt.

Am 22.01.2019 urteilte das BAG, dass zumindest eine Unterbrechung von acht Jahren noch nicht sehr lange sei (AZ: 7 AZR 733/16). Werde ein Arbeitnehmer trotz seiner Vorbeschäftigung erneut ohne sachlichen Grund befristet eingestellt, habe er Anspruch auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.

In dem aktuell entschiedenen Fall ging es um einen noch längeren Zeitraum. Die Klägerin wurde zum 15.10.2014 als Telefonserviceberaterin bei der Bundesagentur für Arbeit ohne sachlichen Grund befristet eingestellt. Sie hatte allerdings 22 Jahre zuvor schon einmal bei der Behörde als Hilfsbearbeiterin für Kindergeld gearbeitet.

Wegen dieser Vorbeschäftigung meinte sie, dass die Befristung in ihrem aktuellen Arbeitsvertrag unwirksam sei. Da das Verbot der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung missachtet wurde, habe sie Anspruch auf eine Festanstellung.

Doch da machte das BAG nicht mehr mit. Ein Zeitraum von 22 Jahren zwischen Vorbeschäftigung und aktuellem Arbeitsverhältnis sei mehr als ein halbes Arbeitsleben lang. Das Vorbeschäftigungsverhältnis liege damit entsprechend den vom Bundesverfassungsgericht festgelegten Ausnahmen wirklich „sehr lange“ zurück. Die sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrages sei daher trotz der Vorbeschäftigung der Klägerin bei der Bundesagentur für Arbeit wirksam.

In der mündlichen Verhandlung hatte die Vorsitzende Richterin des 7. BAG-Senats zudem auf ein weiteres, aber noch nicht veröffentlichtes BAG-Urteil von April 2019 verwiesen. Darin hatte ein Beschäftigter nach 15 Jahren Pause wieder einen befristeten Arbeitsvertrag bei ein- und denselben Arbeitgeber erhalten. Nach dem Erfurter Urteil hatte bei diesem Zeitraum das Vorbeschäftigungsverbot noch gegriffen. Der Kläger habe daher Anspruch auf eine unbefristete Beschäftigung.

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