Bundesverfassungsgericht weist Beschwerde gegen BSG-Urteil ab

Niedergelassene Vertragsärzte haben weiterhin kein Streikrecht. Mit einem aktuell veröffentlichten Beschluss vom 24.10.2019 wies das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Verfassungsbeschwerde gegen ein entsprechendes Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) aus 2016 ab (AZ: 1 BvR 887/17).

Geklagt hatte Werner Baumgärtner, Allgemeinarzt in Stuttgart und Chef des baden-württembergischen Ärzte-Verbundes Medi. Am 10.10.2012 und 21.11.2012 hatte er seine Praxis geschlossen und ausdrücklich erklärt, er wolle damit das ihm verfassungsrechtlich zustehende Streikrecht wahrnehmen. Aus Angst, ihre vertragsärztliche Zulassung zu verlieren, waren andere Ärzte zu einer solchen Ankündigung nicht bereit. Es gab an diesen Tagen aber kleinere Kundgebungen mit weiteren Ärzten in Stuttgart.

Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg hielt Baumgärtners „Streik“ für unzulässig und erteilte ihm einen Verweis. Dagegen klagte er.

Dabei stützte er sich auf das im Grundgesetz und auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Streikrecht. Dies gelte ohne Einschränkungen, nicht nur für Arbeitnehmer.

Zudem seien zumindest Ärzte in „Versorgungspraxen“ mit einem hohen Anteil gesetzlich Versicherter auf ihren Status als Vertragsarzt angewiesen. Durch die zahlreichen engen Vorgaben seien sie dann in ihrer freiberuflichen Entscheidungsfreiheit extrem beschränkt und unterlägen ähnlich Arbeitnehmern einem ganzen Katalog an Pflichten. Ohne Streikrecht gebe es keine Möglichkeit, Bürokratie abzuwehren und höhere Honorare durchzusetzen, argumentierte Baumgärtner.

Am 30.11.2016 wies das BSG seine Klage ab (AZ: B 6 KA 38/15 R). Das Streikrecht sei für abhängig Beschäftigte geschaffen worden. Inwieweit Streiks daher generell für Freiberufler ausgeschlossen seien, ließen die Kasseler Richter zwar offen. „Jedenfalls Vertragsärzte haben kein Streikrecht“, urteilte das BSG. Während ihrer Sprechstunden müssten Vertragsärzte ihren Patienten auch zur Verfügung stehen. Diese „Präsenzpflicht“ habe Baumgärtner schuldhaft verletzt.

Schon am Tag der Kasseler Urteilsverkündung hatte Baumgärtner hiergegen Verfassungsbeschwerde angekündigt. Mit seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Beschluss nahm das Bundesverfassungsgericht diese nicht zur Entscheidung an.

Zur Begründung erklärten die Karlsruher Richter, das Streikrecht sei zwar durch das Grundgesetz geschützt. Voraussetzung hierfür sei aber, „dass es sich um gewerkschaftlich getragene, auf Tarifverhandlungen bezogene Aktionen handelt“. Dies habe das Bundesverfassungsgericht bereits in Entscheidungen zu Flashmobs (Beschluss vom 26.03.2014, AZ: 1 BvR 3185/09) und zum Streikverbot für Beamte (Urteil vom 12.06.2018, AZ: 2 BvR 1738/12 und weitere) klargestellt.

Dass hier eine solche „koalitionsmäßige Betätigung“ vorlag, habe Baumgärtner nicht dargelegt, so das Bundesverfassungsgericht. Dass er seine Praxisschließungen selbst als „Warnstreiks“ bezeichnet und dies der Kassenärztlichen Vereinigung entsprechend angekündigt habe, reiche nicht aus.

Auch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention setze das dort garantierte Streikrecht Aktionen einer „Gewerkschaft“ als „Zusammenschluss abhängig Beschäftigter“ voraus. Wie sich daraus ein Streikrecht auch für Freiberufler ergeben soll, sei aus den in der Verfassungsbeschwerde vorgetragenen Argumenten auch dann nicht ersichtlich, wenn es sich wie hier um einen „verkammerten und vielfach regulierten Beruf“ handelt.

Weiter betonten die Karlsruher Richter, die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sei „ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut“. Dies könne auch eine Einschränkung der Berufsfreiheit rechtfertigen, wie hier die Präsenzpflicht der Vertragsärzte zu den von ihnen angekündigten Sprechstunden. Warum daher nicht auch der Verweis der Kassenärztlichen Vereinigung gerechtfertigt sein kann, habe Baumgärtner nicht erklärt.

 

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