LAG Berlin: Gericht muss Kündigung rechtskräftig zustimmen

Ein Fahrradlieferdienst kann einen Kurierfahrer und Mitglied eines Wahlvorstandes für eine Betriebsratswahl regelmäßig nicht kündigen. Auch wenn dem Beschäftigten die Teilnahme an einem illegalen Streik vorgeworfen wird und ihm deshalb fristlos, aber noch nicht rechtskräftig gekündigt wurde, steht dem Kurierfahrer als Mitglied des Wahlvorstands der gesetzliche Sonderkündigungsschutz zu, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg in einem am Montag, 07.02.2022, bekanntgegebenen Beschluss (AZ: 23 SaGa 1521/21). Für die Wirksamkeit der Kündigung fehle es an der gerichtlichen Zustimmung, so die Berliner Richter.

Im konkreten Fall ging es um einen Fahrrad-Kurierfahrer, der bei einem Lieferdienst als „Rider“ befristet angestellt war. Der Arbeitgeber warf ihm vor, sich an einem illegalen Streik beteiligt zu haben. Er kündigte dem Beschäftigten fristlos.

Der hielt die Kündigung für unwirksam. Er sei Mitglied des Wahlvorstands für die anstehende Betriebsratswahl gewesen.

Das Kündigungsschutzgesetz sieht in solch einem Fall einen Sonderkündigungsschutz vor. Ein Arbeitgeber darf Wahlvorstandsmitglieder nur aus wichtigem Grund und mit Zustimmung des Personal- oder Betriebsrats oder mit gerichtlicher Zustimmung kündigen. Der Sonderkündigungsschutz besteht innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses.

Hier hatte der Kurierfahrer gegen seine fristlose Kündigung geklagt, ohne dass bislang darüber rechtskräftig entschieden wurde. Vor dem LAG beantragte er nun einstweiligen Rechtsschutz und verlangte, dass er weiterbeschäftigt werden müsse.

LAG entscheidet zu Gunsten des Mitarbeiters

Das LAG entschied mit Beschluss vom 12.01.2022, dass die fristlose Kündigung des Kurierfahrers „offensichtlich unwirksam“ sei. Der Antragsteller genieße als Mitglied des Wahlvorstands für die anstehende Betriebsratswahl einen Sonderkündigungsschutz. Für die Wirksamkeit der Kündigung fehle die erforderliche gerichtliche Zustimmung. Da von einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis auszugehen sei, bestehe auch Anspruch auf Beschäftigung. Der Arbeitgeber habe mit Blick auf die unwirksame Kündigung auch kein berechtigtes Interesse „an der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes“.

Die Lieferdienstbranche mit Fahrradkurieren als Beschäftigte war in der Vergangenheit bereits in zahlreichen Fällen Gegenstand gerichtlicher Streitigkeiten, insbesondere wegen beabsichtigter Betriebsratswahlen und wegen mieser Arbeitsbedingungen. So war der Berliner Fahrradlieferdienst Gorillas vor dem LAG mit dem Ansinnen gescheitert, den Abbruch einer bereits begonnenen Betriebsratswahl zu erreichen (AZ: 13 TaBVGa 1534/21).

Wegen schlechter Arbeitsbedingungen hatten Gorillas-Kuriere zunächst mit wilden Streiks reagiert, das Start-up-Unternehmen antwortete mit fristlosen Kündigungen. Als die Beschäftigten einen Betriebsrat wählen wollten, versuchte das Unternehmen die Wahl gerichtlich zu verhindern.

Doch sei der Wahlvorstand bei der Einleitung der Wahl im Amt, könne der Abbruch der Betriebsratswahl nicht verlangt werden, so das LAG in seiner damaligen Entscheidung. Wahlmängel könnten dann erst nach Abschluss der Wahl gerügt werden.

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