BAG: Kirchliche Regelungen werden durch Arbeitsvertrag verdrängt
Ein Arbeitsvertrag kann bei einer langanhaltenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit den Verfall des gesetzlichen Mindesturlaubs trotz anderslautender kirchlicher Arbeitsvertragsrichtlinien ausschließen. Denn eine diakonische Einrichtung darf unter Berücksichtigung ihres Selbstverwaltungs- und Selbstbestimmungsrechts bei Vorliegen „besonderer Umstände“ von einer abweichenden Vertragsgestaltung Gebrauch machen, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Donnerstag, 28.08.2025, veröffentlichten Urteil (AZ: 9 AZR 198/24)
Geklagt hatte eine Pflegekraft, die vom 01.01.2010 bis zum 30.06.2023 in einer diakonischen Einrichtung arbeitete. Laut ihrem Arbeitsvertrag sollten die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche Deutschlands und nach deren Umbenennung die Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie Deutschland (AVR-DD) angewendet werden.
Im Arbeitsvertrag wurde vereinbart, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch nicht verfällt, wenn die Arbeitnehmerin den Urlaub wegen einer nachgewiesenen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht nehmen kann. Da die Klägerin an sechs Tagen die Woche arbeitete, hatte sie Anspruch auf 24 Tage gesetzlichen Mindesturlaub. Anders als die arbeitsvertragliche Regelung sahen die AVR-DD vor, dass der gesetzliche Mindesturlaub spätestens 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres verfallen sind.
Als die Klägerin vom 31.07.2015 bis zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses am 30.06.2023 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war, konnte sie ihren gesetzlichen Mindesturlaub nicht nehmen. Sie verlangte von der diakonischen Einrichtung die Abgeltung ihres nicht genommenen gesetzlichen Mindesturlaubs. Im Streit standen zuletzt noch 16.908,00 € für 144 nicht genommene Urlaubstage. Dabei berief sie sich auf die Regelung im Arbeitsvertrag.
Die diakonische Einrichtung verwies dagegen auf die AVR-DD. Es sei unmissverständlich deren Geltung vereinbart worden
Sowohl das Landesarbeitsgericht Düsseldorf als nun auch das BAG gaben der Klägerin recht. Zwar seien im Arbeitsvertrag auch die AVR-DD in Bezug genommen worden, so das BAG in seinem Urteil vom 15.07.2025.
Die arbeitsvertragliche Regelung, die keinen Verfall des gesetzlichen Urlaubs bei langandauernder Erkrankung vorsieht, habe die AVR-DD aber verdrängt. Der „verständige Arbeitnehmer“ habe die Regelung „als soziales Zugeständnis eines christlichen Arbeitgebers an seine Mitarbeiter“ auffassen dürfen.
Die Regelung im Arbeitsvertrag sei auch nicht unwirksam, nur weil sie gegen die Satzung des Diakonischen Werkes verstoße. Hier habe die diakonische Einrichtung unter Berücksichtigung ihres Selbstverwaltungs- und Selbstbestimmungsrechts bei Vorliegen „besonderer Umstände“ von einer abweichenden Vertragsgestaltung Gebrauch gemacht.
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