Beantragen mittellose Personen staatliche Prozesskostenhilfe, müssen sie nicht alles von sich preisgeben. So dürfen Gerichte bei der Einkommensprüfung grundsätzlich keine ungeschwärzten Kontoauszüge verlangen, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein in einem aktuell bekanntgegebenen Beschluss vom 23.05.2011 (AZ: 3 Ta 32/11). Die Forderung stellt eine „unverhältnismäßige Ausforschung der persönlichen Lebensverhältnisse dar“, so die Kieler Richter.

Im konkreten Fall hatte eine 40-jährige kaufmännische Angestellte Prozesskostenhilfe für ein Arbeitsgerichtsverfahren beantragt. In einem entsprechenden Formular gab sie an, dass sie über keine Rechtsschutzversicherung verfüge und auch nicht gewerkschaftlich vertreten werde. Ein Formularfeld über Angaben zu Guthaben auf ihrem Konto ließ die Frau leer. Dies machte das Arbeitsgericht Lübeck misstrauisch. Es forderte alle Kontoauszüge der letzten drei Monate an – und zwar ungeschwärzt. Das Gericht forderte zudem ergänzende Erklärungen an, ob die arbeitslose Frau nicht doch eine Rechtsschutzversicherung habe oder Mitglied einer Gewerkschaft sei.

Die 40-Jährige reichte daraufhin eine weitere Erklärung nach, dass sie über keine Rechtsschutzversicherung verfüge und nicht Gewerkschaftsmitglied sei. Außerdem übersandte sie eine vollständige Übersicht über ihre Konten. Das Gericht war immer noch nicht zufrieden und verlangte, dass die Frau das entsprechende Antragsformular ein drittes Mal ausfüllt. Außerdem forderte es Angaben zu zwei Lebensversicherungen in Höhe von jeweils über 6.600 und 6.700 Euro. Den Prozesskostenhilfeantrag lehnte das Arbeitsgericht schließlich ab. Die 40-Jährige müsse ihre zur Altersversorgung abgeschlossene Lebensversicherung verwerten.

Das LAG rügte jedoch das Vorgehen des Arbeitsgerichts. Zum einen sei es unzulässig, ohne konkrete Anhaltspunkte ungeschwärzte Kontoauszüge zu verlangen. Diese Auflage verletze das „Übermaßverbot“, so das LAG. Selbst wenn die Frau einige Angaben im Antragsformular leer gelassen habe, begründe dies nicht die Annahme, dass sie unredlich vorgehen wollte. Grundsätzlich müssten die Gerichte aber von der Redlichkeit der Bürger ausgehen. Unvollständige Angaben gingen oft auf Unbeholfenheit oder Unachtsamkeit zurück. Auch die mehrmalige Frage, ob die Arbeitslose nicht doch Gewerkschaftsmitglied sei oder über eine Rechtsschutzversicherung verfüge, sei unverhältnismäßig.

Schließlich brauche die 40-Jährige auch nicht ihre Lebensversicherung zur Altersvorsorge verwerten, um davon die Prozesskosten bezahlen zu können. Eine Versicherung lief sowieso auf den Namen ihres Lebensgefährten. Die Verwertung der verbliebenen Versicherung würde aber eine unzumutbare Härte darstellen, befand das LAG. Denn es zeichne sich ab, dass die Frau im Renteneintrittsalter sozialleistungsbedürftig sein werde. Werde jetzt auch noch die Lebensversicherung verwertet, fehle der Klägerin eine angemessene Altersvorsorge.

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