Nach einer Scheidung noch einmal heiraten: solch ein privates Glück kann bei Beschäftigten eines katholischen Arbeitgebers zu einer Kündigung führen. Denn eine Wiederheirat stellt grundsätzlich eine gravierende Loyalitätsverletzung und ein Verstoß gegen die katholische Glaubens- und Sittenlehre dar, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Donnerstag, 08.09.2011, verkündeten Grundsatzurteil (AZ: 2 AZR 543/10), über das auch bereits der Kollege Reuter (hier) und die Kollegin Rampfl-Platte (hier) berichteten. Danach müssen in katholischen Einrichtungen für vergleichbare Mitarbeiter aber auch vergleichbare Maßstäbe gelten.

Eine zwangsläufige Kündigung sei nicht möglich, so das BAG. Es müsse immer im Einzelfall eine Abwägung der Interessen des kirchlichen Arbeitgebers und des Beschäftigten vorgenommen werden. Einerseits könne sich die Kirche auf ihr in der Verfassung geschütztes Selbstbestimmungsrecht und die Religionsfreiheit berufen. Andererseits hat auch der Arbeitnehmer Anspruch auf Schutz von Ehe und Familie sowie seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Je mehr Beschäftigte mit dem Verkündigungsauftrag der Kirche verbunden sind, desto eher können sie bei einem Verstoß gegen kirchliche Werte gekündigt werden.

Im konkreten Fall ging es um die Kündigung eines in einem katholischen Krankenhaus beschäftigten Chefarztes. Der aus Düsseldorf stammende Kläger hatte sich mit seinem Arbeitsvertrag verpflichtet, die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre zu beachten. Dabei wurde auch darauf hingewiesen, dass bei einem schwerwiegenden Loyalitätsverstoß gegen die kirchlichen Grundsätze eine Kündigung möglich ist.

Als der Chefarzt nach seiner Scheidung im Jahr 2008 seine neue Lebensgefährtin standesamtlich heiratete, wurde er von seinem Arbeitgeber prompt entlassen. Die Wiederheirat sei ein „gravierender“ Verstoß gegen die katholischen Glaubens- und Sittenlehre. Denn die zweite Ehe sei nach den katholischen Glaubensgrundsätzen ungültig.

Der 2. Senat des BAG stellte nun klar, dass eine Wiederheirat grundsätzlich zur Kündigung durch den katholischen Arbeitgeber berechtigt. Die Kündigung des Chefarztes sei aber dennoch unwirksam. Denn der katholische Arbeitgeber habe bei der Einhaltung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre inkonsequent gehandelt.

So seien in dem Krankenhaus auch andere wiederverheiratete Chefärzte beschäftigt, denen allerdings nicht gekündigt wurde. Auch habe der katholische Arbeitgeber es toleriert, dass der Kläger zwischen 2006 und 2008 mit seiner Lebensgefährtin unverheiratet zusammengelebt hatte. Auch dies habe gegen die Loyalitätspflichten verstoßen, ohne dass der Arbeitgeber eingeschritten sei.

Die Erfurter Richter bezogen in ihrer Entscheidung auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 23.09.2010 mit ein (AZ: 1620/03). Der EGMR hatte einem Organisten und Chorleiter recht gegeben, dem wegen einer außerehelichen Beziehung von seinem katholischen Arbeitgeber gekündigt wurde. Die Straßburger Richter hatten dies als Verstoß gegen das Grundrecht auf ein Privatleben gewertet.