Wer einen Zug nicht durch die Tür, sondern durch ein Fenster verlässt, tut dies auf eigenes Risiko. Der Schaffner ist nicht verantwortlich und muss auch alkoholisierte Fahrgäste nicht ständig bewachen, heißt es in einem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil des Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg (AZ: 14 U 852/10), auf das am Donnerstag, 26.01.2012, die Deutsche Anwaltshotline in Nürnberg aufmerksam gemacht hat.

Im entschiedenen Fall hatte ein Jugendlicher die Regionalbahn bestiegen, um nach Hause zu fahren. Nach reichlichem Alkoholkonsum führte er sich recht unflätig auf und urinierte in einen Abfallbehälter. Während empörte Mitreisende den Schaffner alarmierten, versank der junge Mann in tiefen Schlaf und war auch vom Zugbegleiter nicht mehr zu wecken. Irgendwie wachte der Jugendliche dann aber doch wieder auf und versuchte, an einem Haltepunkt den Zug durch die dem Bahnsteig abgewandte Seite zu verlassen.

Nach einem Hinweis des Schaffners stieg er nicht auf der richtigen Seite aus, sondern setzte sich wieder auf seinen Platz. Dort freilich erwachte erneut der Wunsch, den Zug zu verlassen, diesmal aus dem Fenster und just in dem Moment, als der Zug sich wieder in Bewegung setzte. So wurde der Jugendliche von dem anfahrenden Zug 300 Meter weit mitgeschleift und verlor sein rechtes Bein.

Dafür seien die Bahn und der Schaffner verantwortlich, meinte er und verlangte Schadenersatz in Höhe von 68.650,00 €. Schließlich habe der Zugbegleiter seinen kritischen Zustand gekannt und hätte ihn daher nicht mehr alleine lassen dürfen.

In seinem am 30.12.2011 verkündeten Urteil folgte das OLG Nürnberg dem freilich nicht. Der Schaffner habe völlig „sachgerecht und vernünftig“ gehandelt und habe die Sache für vorerst erledigt halten dürfen, als der Betrunkene wieder auf seinem Platz saß. Gerade angesichts der von dem Jugendlichen geltend gemachten Hilflosigkeit habe der Zugbegleiter nicht damit rechnen müssen, „der Kläger würde die Kraftanstrengung auf sich nehmen, um aus dem Fenster zu klettern“.