Eine Kündigung wegen des Verdachts des Diebstahls ist ohne eine vorherige, umfassende Information des Betriebsrates unwirksam. Die Arbeitnehmervertretung muss dabei nicht nur über den konkreten Vorwurf informiert werden, sondern auch über vorausgehende Abmahnungen oder Ermahnungen, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein in einem am Montag, 13.02.2012, bekanntgegebenen Urteil (AZ: 2 Sa 305/11). Es müssen alle Gesichtspunkte genannt werden, die der Arbeitgeber vor seinem Kündigungsentschluss gegeneinander abgewogen hat, so die Kieler Richter.
Im Streitfall wurde einer 41-jährigen Putzfrau wegen des Verdachts des Diebstahls fristlos gekündigt. Die Frau, die seit 1999 in einer Badeanstalt beschäftigt ist, stand im Verdacht einen Tauchring aus dem Fundsachenregal ohne Rücksprache mit dem Arbeitgeber mitgenommen haben. Ein Zeuge hatte dies beobachtet. Die Reinigungskraft gab an, dass sie den verlorenen Tauchring ihres Sohnes gesucht hatte.
Der Arbeitgeber kündigte der alleinerziehenden Mutter im Februar 2011 fristlos. Dem Betriebsrat teilte er zuvor ausschließlich die Indizien über den vermeintlichen Diebstahl mit. In erster Instanz hielt das Arbeitsgericht die Kündigung für unverhältnismäßig und damit für unwirksam.
Das LAG bestätigte in seinem Urteil vom 10.01.2012 die Unwirksamkeit der Kündigung, allerdings aus rein formellen Gründen. Der Arbeitgeber habe es versäumt, den Betriebsrat über alle Gesichtspunkte zu informieren, die zur Kündigung geführt haben.
Dazu zählten nicht nur die konkreten Fakten zum Diebstahlvorwurf, sondern auch der vorherige Verlauf des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber habe nicht die Abmahnung und die zwei Ermahnungen erwähnt. Auch wurde nicht erläutert, wie er die lange Betriebszugehörigkeit in seiner Kündigungsentscheidung berücksichtigt hat.
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Wie ist das dann, kann man wegen dieses “Diebstahls” einfach nochmal kündigen oder gibt es da so eine Art Kündigungsverbrauch? Die 2-Wochenfrist (§ 626 II 1 BGB) dürfte ja nach einem Kündigungsschutzprozess nicht mehr einzuhalten sein.
Eine erneute fristlose Kündigung ist wegen der Frist des § 626 II BGB keine Thema mehr. Den Kündigungsverbrauch gibt es ja bei der Abmahnung. Aber hier dürfte eine erneute ordentliche Kündigung möglich sein.
“Den Kündigungsverbrauch gibt es ja bei der Abmahnung.”
Den o.g. Satz verstehe ich nicht. Die bisherigen Abmahnungen sind durch die fehlerhafte Kündigung obsolet geworden und eine fristlose Kündigung für die bisherigen Vergehen kommt gar nicht mehr in Betracht oder wie ist das zu verstehen? Danke!
Mahnt der Arbeitgeber einen Sachverhalt ab, dann kann er auf diesen Sachverhalt später keine Kündigung mehr stützen (Kündigungsverbrauch).
Bei einem Formfehler kann der Arbeitgeber – gestützt auf denselben Sachverhalt – erneut eine Kündigung aussprechen (sog. Wiederholungskündigung).