Stellen Arbeitnehmer Kolleginnen gegen ihren Willen mit privaten E-Mails, Telefonanrufen oder anderen aufdringlichen Kontaktversuchen nach, können sie wegen Stalkings fristlos gekündigt werden. Auch eine Schwerbehinderung schützt dabei nicht vor der Entlassung, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Freitag, 20.04.2012, bekanntgegebenen Urteil vom Vortag (AZ: 2 AZR 258/11). Ob zuvor erst eine Abmahnung ausgesprochen werden muss, hängt von der Schwere des Einzelfalls ab, so der 2. Senat.

Geklagt hatte ein 1957 geborener und verheirateter beim Land Hessen beschäftigter Verwaltungsangestellter. Das Land hatte dem Mann im November 2009 wegen Stalkings von Kolleginnen fristlos gekündigt. Der Angestellte ist mit einem Grad von 80 als Schwerbehinderter anerkannt, so dass er besonderen Kündigungsschutz genießt.

2007 hatte sich eine Kollegin beim Arbeitgeber über den Angestellten beschwert. Sie werde von ihm ständig belästigt. Nach einem durchgeführten Beschwerdeverfahren teilte der Arbeitgeber dem schwerbehinderten Mann mit, dass die unmittelbare Kontaktaufnahme mit der Frau „auf jeden Fall zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen zu unterbleiben“ hat.

Doch die Warnung blieb offenbar ungehört. Im Oktober 2009 beschwerte sich diesmal eine Leiharbeiterin über ungewünschte Zudringlichkeiten. Der schwerbehinderte Mann habe sie innerhalb von knapp vier Monaten mit mehr als 120 privaten E-Mails, MMS und SMS traktiert. Obwohl sie ihm klipp und klar mitgeteilt habe, dass er sie in Ruhe lassen solle, sei der Verwaltungsangestellte immer zudringlicher geworden. So habe er ihr im Büro nachgestellt und ihr gedroht: Falls sie keinen weiteren privaten Kontakt zulasse, würde er dafür sorgen, dass sie beim Land keine feste Anstellung erhalte, so die Frau.

Der Arbeitgeber wollte dieses Verhalten nicht mehr durchgehen lassen und kündigte dem Mann nach Zustimmung des Integrationsamtes fristlos. Er habe mit seinem anhaltenden Stalking seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt.

Das BAG stellte nun klar, dass Stalking zur fristlosen Kündigung führen kann, je nach Einzelfall auch ohne Abmahnung. Den konkreten Fall verwies der 2. Senat an das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) wieder zurück. Dieses müsse prüfen, ob nach den ersten Stalking-Vorwürfen 2007 und dem daraufhin durchgeführten Beschwerdeverfahren der Kläger genug gewarnt war. Erst dann könne entschieden werden, ob die fristlose Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt war.

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