Erhalten Selbstständige während ihrer Elternzeit noch Zahlungen aus ihrer vorangegangenen Berufstätigkeit, müssen sie mit einer Kürzung ihres Elterngeldes rechnen. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) in einem am Donnerstag, 14.06.2012, schriftlich veröffentlichten Urteil entschieden (AZ: B 10 EG 10/11 R). Entscheidend sei, dass die Einkünfte während der Elternzeit zugeflossen sind, so die Kasseler Richter. Betroffen von dem Urteil sind vor allem selbstständige Väter, die für wenige Monate in Elternzeit gehen. Erhalten sie beispielsweise im ersten Elternzeitmonat noch Zahlungen aus dem Vormonat ihrer Berufstätigkeit, mindert dies das Elterngeld.
Im entschiedenen Rechtsstreit hatte ein selbstständiger Fernsehredakteur und frischgebackener Vater mit dem Elterngeld-Höchstbetrag von monatlich 1.800,00 € gerechnet. Er hatte beim Rheinisch-Bergischen Kreis angegeben, dass er für den sechsten und zwölften Lebensmonat seines im April 2007 Sohnes in Elternzeit gehen wolle.
Um das Elterngeld zu berechnen, zog der Kreis die vom Finanzamt festgesetzten Steuervorauszahlungen heran. Heraus kamen durchschnittliche monatliche Einkünfte in Höhe von 2.501,00 €. Die Behörde bewilligte dem Journalisten für die beiden beantragten Monate ein Elterngeld von jeweils 1.800,00 €. Der entsprechende Bescheid wurde mit dem Vermerk versehen: „sofern nach der Geburt keine Erwerbseinkünfte erzielt werden“.
Als sich der Vater schließlich in der Elternzeit um seinen Sohn kümmerte, trudelten noch ausstehende Honorare aus seiner vorangegangenen Erwerbstätigkeit ein – insgesamt 10.019,00 €. Der Rheinisch-Bergische Kreis kürzte darauf das Elterngeld auf monatlich 300,00 € und forderte die überzahlten 3.000,00 € wieder zurück. Der Redakteur habe während seiner Elternzeit Erwerbseinkünfte erhalten, die auf das Elterngeld angerechnet werden müssten. Entscheidend sei, dass ihm das Geld während der Elternzeit zugeflossen ist.
Diese Auffassung bestätigte nun auch das BSG in seinem Urteil vom 05.04.2012. Anders als bei normalen Arbeitnehmern gelte für Selbstständige das Zuflussprinzip. Dies ergebe sich aus den gesetzlichen Regelungen. Diese Ungleichbehandlung zwischen sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern und Selbstständigen verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Der Gesetzgeber habe hier einen weiten Gestaltungsspielraum.
Den konkreten Fall verwies das BSG an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zurück. Dieses muss noch prüfen, inwieweit der Kläger das Geld zurückzahlen muss oder ob er Vertrauensschutz geltend machen kann.
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Unglaublich! Das würde ja im Umkehrschluß bedeuten, dass ein Selbstständiger während der Elternzeit ungehemmt arbeiten darf. Wenn die Honorarzahlungen erst nach der Elternzeit eintreffen, dürften sie ja ebenfalls nicht auf das Elterngeld angerechnet werden.
Ähm, wie war noch gleich der Sinn der Elternzeit?
Für mich ist das Urlteil eine klare Aufforderung an alle Selbstständigen, die Rechnungsbegleichung so zu “steuern”, dass der Geldzufluss außerhalb der Elternzeit geschieht. Sehr “sinnvoll”! 🙁
Auch mir fehlt jedes Verständnis für diese Rechtsprechung, die damit den o.g. Gestaltungsspielraum legalisiert und den Sinn der Elternzeit, in dieser Zeit zu Gunsten der Kinder auf Erwerbstätigkeit zu verzichten, ignoriert!
Die Urteilsbegründung dazu wäre interessant zu lesen …
Jedenfalls weiß ich nun, was zu tun ist … sowas!
Ja, das Ganze ist schwierig nachzuvollziehen.
Die Urteilungsbegründung ist hier abrufbar
http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=B%2010%20EG%2010/11%20R
Das ist leider ein Urteil, das von der Realität ganz weit weg ist. Zum einen werden ggf. Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet, die sicher vom Gesetzgeber nicht gewollt sind, zum anderen sind Selbständige jetzt abhängig von der Zahlungsmoral ihrer Kunden, die sie selbst ggf. gar nicht beeinflussen können.
Frage an die Rechtsanwälte: Gibt es weitere anhängige Verfahren ?
Ich meine ausserdem, dass der Verweis auf die steuerliche Gewinnermittlung im Urteil evtl. noch die Möglichkeit eröffnet, statt Einnahmenüberschussrechnung eine Bilanzierung vorzunehmen, wo die Zuflüsse bereits bei Rechnungsausgang erfasst werden.
Andere anhängige Verfahren sind mir leider nicht bekannt. Selbst wenn dem so sein sollte, so gehe ich davon aus, dass das BSG diese Fälle ähnlich entscheiden würde.
Für mich als Betroffener ebenfalls absolut nicht nachvollziehbar und ein erneuter Beweis dafür, dass Rechtsprechung und Gerechtigkeit nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben müssen. Das Elterngeld sollte schließlich eine Entschädigung für die ausgesetzte selbständige Tätigkeit während der Elternzeit sein! Durch meine Elternzeit ist mir ein nachhaltiger Einkommensverlust entstanden für den das Elterngeld nach diesem Urteil gar nicht gedacht ist – für mich ein echter Schlag ins Gesicht!
Realitätsfern!
Gilt dieses Zuflussprinzip auch für Arbeitnehmer? Falls ja, dann müsste quasi bei jedem unmittelbar vorher Berufstätigen im 1. Bezugsmonat gekürz werden, falls dass Monstsgehalt stets zum Monatsende überwiesen wird, da dieses nach Antritt der Elternzeit erfolgen würde. Beispiel: Vater geht zum 18. eines Monast in Elternzeit, Firma überweist Lohn vom 1. – 17. zum Monatsende – erwischt!