Bei einem Auslandsaufenthalt in Nicht-EU-Ländern wie Tunesien, Türkei, Marokko oder den Balkanstaaten müssen gesetzlich Krankenversicherte mit einem nur abgespeckten Versicherungsschutz vorlieb nehmen. Denn nach den Sozialversicherungsabkommen mit diesen Ländern müssen die deutschen Krankenkassen nur jene medizinische Leistungen erstatten, die auch Einheimische beanspruchen können, urteilte am Dienstag, 11.09.2012, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 1 KR 21/11 R).
Damit scheiterte der in Berlin lebender Kläger vor Gericht. Der Mann hatte am 05.01.1999 seine in Tunesien lebende Mutter besucht. Einen Tag später erlitt er zusammen mit seiner Ehefrau einen schweren Verkehrsunfall. Der in Deutschland krankenversicherte Mann wurde wegen eines Schädel-Hirn-Traumas und seines zwölftägigen Komas zur Behandlung in eine private neurologische Klinik in Tunis gebracht. Die Behandlungskosten in Höhe von 17.206,65 DM (8.797,62 €) wollte er von der AOK Nordost erstattet bekommen. Er habe als bewusstloser Patient keinen Einfluss darauf nehmen können, dass die Notfallbehandlung in der Privatklinik vorgenommen wurde.
Die Kasse wies den vollen Kostenerstattungsanspruch jedoch ab. Nach dem tunesischen Sozialversicherungsabkommen könne der Versicherte nur jene Leistungen erhalten, die auch ein tunesischer Krankenversicherter beanspruchen kann. Eine teure Behandlung in einer Privatklinik gehöre nicht dazu, selbst wenn der Kläger bewusstlos und ohne eigenes Zutun dorthin überwiesen wurde. Außerdem habe der Kläger nicht die erforderliche Kassenbescheinigung für seine Behandlungsberechtigung mitgeführt.
Die AOK Nordost bezahlte schließlich nur einen Teilbetrag in Höhe von 8.637,00 DM (4.416,00 €).
Einen Anspruch auf volle Kostenerstattung hatte der Kläger nicht, stellte der 1. Senat des BSG fest. Die Kasse müsse nur das zahlen, was auch ein in Tunesien Versicherter hätte beanspruchen können. Dies sehe das mit Tunesien abgeschlossene Sozialversicherungsabkommen so vor. Eine Behandlung in einer Privatklinik gehöre nicht dazu.
Die deutsche Krankenkasse dürfe jedoch keinen Versicherten von Leistungen ausschließen, nur weil sie den Kassennachweis über die Behandlungsberechtigung nicht mitgeführt haben. Diese müsse der Versicherte auch nachreichen können.
Die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA), ein Teil des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen, empfiehlt dennoch, die Kassenbescheinigung über die Behandlungsberechtigung bei einem Auslandsaufenthalt mitzunehmen. Denn immer wieder würden ausländische Kliniken bei einem nicht sofort vorgelegten Nachweis mit dem Versicherten privat abrechnen. Die dabei entstehenden Zusatzkosten müsse die gesetzliche Krankenversicherung aber nicht zahlen. Ratsam sei zudem eine private Auslandszusatzkrankenversicherung.
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