Wird eine Bewerberin um eine Ausbildungsstelle als Zahnarzthelferin wegen des Tragens eines islamischen Kopftuches abgelehnt, steht ihr eine Entschädigung wegen Diskriminierung zu. Dies hat das Arbeitsgericht Berlin in einem jetzt bekanntgegebenen Urteil vom 28.03.2012 entschieden (AZ: 55 Ca 2426/12).

Im konkreten Rechtsstreit hatte sich eine muslimische Abiturientin als Zahnarzthelferin-Azubi in einer Berliner Praxis beworben. Im Bewerbungsgespräch zeigte der Zahnarzt großes Interesse an einer Einstellung der Frau. Er führte jedoch an, dass in der Zahnarztpraxis einheitliche Kleidung – weiße Hose, Hemd, T-Shirt oder Bluse – verlangt werde. Bei Operationen seien zudem Mundschutz und eine Haube über dem Haar erforderlich.

Das islamische Kopftuch müsse sie während der Arbeit ablegen, so der Zahnarzt. Dies wies die Frau auch nach einer erneuten schriftlichen Anfrage des Mediziners zurück. Daraufhin erhielt sie eine Absage.

Mit Unterstützung des Antidiskriminierungsnetzwerkes des Türkischen Bundes in Berlin zog die Abiturientin vor das Arbeitsgericht und forderte eine Entschädigung. Sie sei wegen ihrer Religion diskriminiert worden. Der Zahnarzt habe während des Bewerbungsgesprächs auch nicht auf die Kleiderordnung verwiesen. Vielmehr habe er das Tragen eines Kopftuches aus Gründen der Gleichbehandlung der Frau abgelehnt.

Das Arbeitsgericht sprach der Abiturientin eine Entschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern – insgesamt 1.470,00 €  – zu. Der Zahnarzt habe gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (kurz: AGG) verstoßen und die Klägerin wegen ihrer Religion benachteiligt. Das Tragen des Kopftuches sei keine „Marotte“, sondern sei „unmittelbare Ausübung der Religionsfreiheit“. Es bestehe auch kein zahnmedizinischer Grund, dass die Muslima ihr Kopftuch ablegen müsse. Es lasse sich ohne Probleme mit der in der Praxis üblichen weißen Kleidung kombinieren.

Der Zahnarzt könne sich auch nicht auf seine im Grundgesetz geschützte Berufsausübungsfreiheit berufen. Denn diese stehe unter Gesetzesvorbehalt. Das AGG schränke diese in zulässigerweise ein, um dem „menschlichen Grundübel“ entgegenzuwirken, „der Xenophobie“, so das Arbeitsgericht. Der Zahnarzt als privater Arbeitgeber könne sich auch nicht auf gesetzliche Ausnahmevorschriften berufen. Diese erlaubten nur kirchlichen Einrichtungen, ein Kopftuchverbot zu erlassen.

Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte bereits am 17.02.2012 entsprechend entschieden (AZ: 18 Sa 867/11). Die Hammer Richter hatten dabei das Kopftuchverbot einer evangelischen Klinik gebilligt. Das im Grundgesetz geschützte kirchliche Selbstbestimmungsrecht sei hier höher zu bewerten, als die Religionsfreiheit der Arbeitnehmerin, die ein islamisches Kopftuch tragen wolle. Bei Patienten, Besuchern und anderen Mitarbeitern könne ansonsten der Eindruck entstehen, dass die Kirche ihre Glaubensgrundsätze und ihren Verkündungsauftrag nicht mehr ernst nehme.

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