© Alexander Steinhof - Fotolia.comMüssen Arbeitnehmer wegen einer Betriebsänderung gekündigt werden, kann der Sozialplan für „rentennahe“ Jahrgänge deutlich geringere Abfindungen vorsehen. Dies ist kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und auch keine unzulässige Altersdiskriminierung, urteilte am Dienstag, 26.03.2013, das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt (AZ: 1 AZR 813/11). Es folgte damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg.

Im entschiedenen Rechtsstreit sollten der 62-jährige Kläger und weitere Kollegen wegen einer Betriebsänderung ihren Job verlieren. Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter hatten sich auf einen Sozialplan mit Abfindungszahlungen geeinigt. Danach sollte der 62-Jährige eine Abfindung in Höhe von knapp 5.000,00 € erhalten.

Der Arbeitnehmer kam jedoch auf eine andere Rechnung. Nach der im Unternehmen üblichen Standardformel müssten ihm über 234.000,00 € zustehen. Dabei müssten sein Alter, die Betriebszugehörigkeit und seine Entlohnung berücksichtigt werden.

Stattdessen sehe der Sozialplan jedoch eine gekürzte Abfindung für „rentennahe“ Jahrgänge vor. Beschäftigte ab dem 58. Lebensjahr erhielten deutlich geringere Zahlungen als jüngere Arbeitnehmer. Der gekürzte Betrag war auf die Lohneinbußen, die der Kläger bis zum frühest möglichen Eintritt in die gesetzliche Altersrente erleidet, beschränkt. Selbst die Arbeitslosengeldzahlung werde bei der Abfindung mindernd angerechnet. Dies stelle eine unzulässige Altersdiskriminierung und einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar, klagte der Arbeitnehmer.

Das BAG stellte nun klar, dass die gekürzten Abfindungen für rentennahe Arbeitnehmer nicht gegen EU-Recht und auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Die Zahlung einer Sozialplanabfindung habe eine Überbrückungsfunktion, mit der bis zum vorzeitigen Renteneintritt entstehende wirtschaftliche Nachteile ausgeglichen werden sollen. Dies sei hier auch getan worden.

Es müsse zudem berücksichtigt werden, dass bei Massenentlassungen und einem notwendigen Sozialplan nur begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Arbeitgeber seien nicht gehalten, „den rentennahen Arbeitnehmern mindestens die Hälfte einer nach der Standardformel berechneten Abfindung zu gewähren“, so das BAG. Höhere Abfindungen für rentennahe Arbeitnehmer seien nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht vorgeschrieben.

Die Erfurter Richter bezogen sich in ihrem Urteil auch auf eine EuGH-Entscheidung vom 06.12.2012 (AZ: C-152/11). Danach haben rentennahe Arbeitnehmer bei Massenentlassungen keinen Anspruch auf gleich berechnete Abfindungen wie jüngere Kollegen. Eine Ungleichbehandlung nach dem Alter sei durchaus zulässig, vorausgesetzt, es gebe sachliche Rechtfertigungsgründe, so die Luxemburger Richter.

So dürfe der absehbare Eintritt in die reguläre Altersrente berücksichtigt werden. Die Ungleichbehandlung sei hier durch das Ziel gerechtfertigt, „einen Ausgleich für die Zukunft zu gewähren und die jüngeren Arbeitnehmer zu schützen sowie ihre berufliche Wiedereingliederung zu unterstützen“. Angesichts der begrenzten Mittel, die für einen Sozialplan zur Verfügung stehen, seien Abschläge für Arbeitnehmer legitim, die ohnehin bald „eine Altersrente beziehen wollen“.

Ein Sozialplan sei auch „Frucht einer von Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern ausgehandelten Vereinbarung“. Wegen ihres Grundrechts auf Kollektivverhandlungen hätten die Sozialpartner hierbei weite Spielräume, so schon der EuGH.

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